Die argentinische Filmemacherin Lucrecia Martel (*1966) gilt im zeitgenössischen Weltkino als außergewöhnliche Stilistin. Mit genuin filmischen Mitteln erzählt sie von familiären oder anderen Beziehungsgeflechten und nimmt dabei individuelle und gesellschaftliche Auflösungs- und Verfallserscheinungen in den Blick, stets unter Einbeziehung der Asymmetrie zwischen privilegierten und indigenen Menschen. Der Plot ist minimal, die Narration ohne Exposition – umso komplexer ist die für ihre Filme charakteristische Ästhetik: der vielschichtige Einsatz von Ton, Geräuschen und Sound-Design, der eine sinnlich spürbare Erfahrung ermöglicht, die ungewöhnliche Kadrierung, die angeschnittene Bilder produziert und keinen Blick auf das Ganze zulässt, der Umgang mit dem Raum im Off, die Arbeit mit Unschärfen und Bildkompositionen, bei denen sich nicht sagen lässt, was zentral und was nebensächlich ist.
Die vier Spielfilme von Lucrecia Martel aus den Jahren 2001–2017 hatten alle bei den großen internationalen Festivals in Berlin, Cannes und Venedig ihre Weltpremiere. Nach den ersten drei Filmen, die um Mädchen und Frauen im Argentinien der Gegenwart kreisen und in Martels Heimatprovinz Salta im Norden des Landes angesiedelt sind, hat sie mit dem lange erwarteten und hoch gelobten historischen Epos ZAMA (2017) neues Terrain betreten. Wir freuen uns sehr, Lucrecia Martel zur Vorpremiere von ZAMA und zur Berliner Erstaufführung von LA MUJER SIN CABEZA (2008) im Rahmen einer Werkschau im Arsenal zu Gast zu haben.