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Mit dem 38. Caligari-Filmpreis wird die in Bosnien und Herzegowina geborene und in Wien lebende Filmemacherin Selma Doborac für den Spieldokumentarfilm DE FACTO (AT/DE 2023, 130 min) aus dem Programm des 53. Berlinale Forums geehrt.

Der von den Kommunalen Kinos gemeinsam mit dem Filmdienst – das Portal für Kino und Filmkultur gestiftete Preis würdigt seit 1986 einen stilistisch wie thematisch innovativen Film aus dem Programm des Berlinale Forums und hebt damit die besondere Bedeutung dieser Sektion der Internationalen Filmfestspiele Berlin für die kulturelle Kinoarbeit in Deutschland hervor.

Die Auszeichnung ist mit 4.000 Euro dotiert, wobei die Hälfte des Betrages die Preisträgerin erhält, während die andere Hälfte einem Verleih zugutekommt, um die Kinoauswertung nach dem Festival deutschlandweit zu unterstützen. Die Jury, bestehend aus Borjana Gaković (Sinema Transtopia Berlin), Janna Schmidt (CITY 46 / Kommunalkino Bremen e.V.) und Silvia Bahl (filmdienst.de, Medienpartner), begründet ihre Entscheidung wie folgt:

„In einem minimalistisch-kühlen Setting treten zwei Charaktere auf. Ihre verbalen Ausführungen bilden eine drastische Rede, die sich an ein unsichtbar und stumm bleibendes Gegenüber richtet. Vom ersten ausgesprochenen Satz an entwickelt sich daraus ein Sog in die schwer aushaltbare Realität menschlicher Grausamkeit. Die beiden Männer waren maßgeblich an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt und legen jetzt ungehemmt Rechenschaft über ihr Handeln und dessen Beweggründe ab. In die unheimliche Alltäglichkeit ihrer Formulierungen mischen sich immer wieder Begriffe, die einen Horizont von historischen Referenzen eröffnen. DE FACTO präsentiert nicht einfach zwei Täter, sondern bietet eine szenische Reflexion über Täterschaft und die sozialpsychologischen Dimensionen von Massengewalt. Die Dramatis personae sind keine Individuen sondern zu lesende Kunstfiguren, geformt aus einer Vielzahl verdichteter und ineinander verwebter Zeugnisse dokumentierter genozidaler Verbrechen. Mit unglaublicher Wucht macht der Film nur durch das gesprochene Wort und seine Verkörperung das Nachleben der Gewalt ebenso erfahrbar wie ihre bedrohliche Aktualität. Selma Doborac ist ein außergewöhnlicher und hochintensiver Film gelungen, der wie kaum ein anderer zuvor zerstörerische (Gruppen-)Dynamiken und das Inhumane im Menschen auch philosophisch zu denken gibt. DE FACTO interveniert in unsere Tendenz, die unangenehme aber notwendige Auseinandersetzung mit Massengewalt zu verdrängen. Er ermöglicht eine neue Form künstlerischer Zeugenschaft, die auch unseren Glauben an Gerechtigkeit herausfordert.“

Der preisgekrönte Film hatte am 18. Februar 2023 um 13:30 Uhr seine Weltpremiere im Kino Arsenal im Rahmen des 53. Berlinale Forums und eine weitere Vorführung mit anschließender Podiumsdiskussion im silent green Kulturquartier am 22. Februar. Am 24. Februar ist der Film um 20 Uhr erneut im Kino Arsenal sowie im Anschluss an die Preisverleihung im silent green Kulturquartier zu sehen. Eine weitere Vorführung findet am 25. Februar um 13:30 Uhr im Delphi Filmpalast statt.

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