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Zugrunde liegt die Idee des Living Archive: Erforschung, Digitalisierung und/oder Restaurierung von Archivinhalten sind Teil einer partizipativ verstandenen künstlerischen und kuratorischen Gegenwartspraxis. Das Archiv ist ein Ort der Produktion.
Aus der Diversität des Ausgangsmaterials – vollständige Filme, beschädigte oder nicht mehr rekonstruierbare Filme, ephemere Filme, Arbeitsmaterialien, Randnotizen und Objekte – sowie der jeweils spezifischen Örtlichkeit der Partner – Archive, Kinos, Festivals, Kunsträume, Universitäten, öffentlich-rechtliche Fernsehsender, Datenbanken, ein ehemaliges Krematorium – stellt sich die Frage: Was ist heute ein Filmarchiv? Welche Forderungen stellt die Öffentlichkeit an Archive und welche Gegenwart und Zukunft kann aus archivarischen Konstellationen und neuen Formen der Navigation, auch spekulativ, entworfen werden?

Die einbezogenen Archive werden zu Laboratorien für die kritische Reflexion der Kategorie des filmischen Erbes, aber auch des „Heritage“ im Allgemeinen, z.B. im Verhältnis zur Kolonial- und Migrationsgeschichte oder zur Geschichte politischer und ästhetischer Bewegungen. Das Projekt will neben filmhistorischen und filmtheoretischen Erträgen auch Beiträge zur Entwicklung neuer Perspektiven der Filmkulturpolitik leisten. Der Begriff des filmischen Erbes wird in Beziehung gesetzt zu anderen Ordnungskategorien wie „transnationales Kino“ oder „World Cinema“. Aus politischen, ästhetischen, oder auch zufälligen Verbindungen entstehen aus der Gegenwart heraus Wahlverwandtschaften, die dazu beitragen, neue Konzepte der Zeitlichkeit zu entwerfen.

Die Website von „Archive außer sich“ informiert über Neuigkeiten, Filmprogramme, Ausstellungen, öffentliche Sichtungen und Publikationen, die im Rahmen des Projekts entstehen.

Die teilnehmenden Institutionen sind: Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, silent green Film Feld Forschung gGmbH, Harun Farocki Institut, SAVVY Contemporary, pong film GmbH und der Masterstudiengang „Filmkultur: Archivierung, Programmierung, Präsentation“ an der Goethe-Universität Frankfurt.

„Archive außer sich“ ist ein Projekt des Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. im Rahmen des Kooperationsverbunds „Das ganze Leben. Ein Archiv-Projekt“, zusammen mit dem Haus der Kulturen der Welt, der Pina Bausch Foundation und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Es ist Teil des HKW-Projekts „Das Neue Alphabet“, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Archival Assembly # 1

Flyer-Motif Archival Assembly #1

„Archival Assembly #1“ bildete den (vorläufigen) Abschluss des fünfjährigen Projekts „Archive außer sich“. Vom 1. bis zum 8. September 2021 versammelten sich Filmarchive und filmarchivarische Projekte zum Austausch mit dem Publikum.

Festivalprogramm

Partnerinstitutionen von „Archive außer sich“

Goethe-Universität Frankfurt am Main

Unter dem Motto „Filmkulturen außer sich“ nimmt der Master Filmkultur der Goethe-Universität am Projekt „Archive außer sich“ mit dem Vorhaben teil, gemeinsam mit der Nigerian Film Corporation (NFC) und der University of Jos den ersten Masterstudiengang für Filmarchivierung und Filmkultur in Afrika zu entwickeln.

Der Master orientiert sich am Frankfurter Modell und wird seit Herbst 2019 von der University of Jos in Kooperation mit der NFC, dem National Film Institute (NFI) und dem National Film, Video and Sound Archive (NFVSA) in Jos angeboten. Projektpartner*innen in Deutschland sind das Arsenal – Institut für Film und Videokunst sowie das Deutsche Filminstitut und Filmmuseum (DIF).

Die Aufbauarbeit des „Archival Studies Master“-Projekts umfasst einen intensiven Austausch zwischen den Partner*innen: Innerhalb der zweimonatigen „Training the Trainer“-Fellowships werden an den deutschen Partnerinstitutionen Spezialist*innen für Filmarchivierung ausgebildet, die nicht nur Aufgaben im NFVSA übernehmen, sondern auch in der Lehre der Masterstudierenden in Jos tätig werden. Darüber hinaus werden Lehrende der Goethe-Universität und Fachleute des Arsenal und des DIF im Co-Teaching mit Lehrenden in Jos die verschiedenen Module des Studiengangs entwickeln und umsetzen. Wechselseitige Praktika für Studierende beider Studiengänge sind ebenso Bestandteil der Planung.
Finanziert wird die Aufbauarbeit vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Rahmen des Programms „Transnationale Bildung“.

Harun Farocki Institut

Seit 2015 entwickelt das Harun Farocki Institut (HaFI) sowohl eine Plattform zur Erforschung von Harun Farockis visueller und diskursiver Praxis als auch eine flexible Struktur für neue Projekte der kritischen Befragung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Bildkulturen. Ein Teil des Nachlasses von Harun Farocki befindet sich in einem separaten Bereich innerhalb der neuen Archivräume des Arsenal im silent green Kulturquartier. Bei diesen Beständen handelt es sich um Film- und Videomaterial, das zu kategorisieren und zu katalogisieren ist, sowie um diverse andere Materialien zu einzelnen Projekten Farockis der Jahre 1966 bis 2014.

Die sukzessive Sicherung und Erschließung des Nachlasses im Rahmen des Projekts „Archive außer sich“ geht mit der Erarbeitung eines Werkverzeichnisses einher, das neben den Filmen, Fernseh- und Videoarbeiten auch Farockis Texte, Film-Skripte und Radiostücke umfasst. Ziel ist es, damit die Zugänglichkeit der umfangreichen Bestände zu gewährleisten, um so die wissenschaftliche, künstlerische, pädagogische und kuratorische Arbeit mit ihnen zu ermöglichen. Statt eines traditonellen Sammlungsarchivs entsteht so ein Produktionsarchiv für künftige bildhistorische und dokumentarische Arbeiten. Forschungsprojekte des Instituts situieren sich einerseits im unmittelbaren Zusammenhang zur archivalischen Arbeit am Nachlass, entwickeln sich andererseits aber auch in Anlehnung an und Fortführung von Fragestellungen und Methodologien, die in einem weiteren Sinne auf Farockis Denken und Praxis verweisen.

Internationale Kurzfilmtage Oberhausen

Das Projekt „re-selected – Filmgeschichte als Kopiengeschichte“ nimmt sich drei Jahre Zeit, um einer womöglich unzeitgemäßen Intuition zu folgen: Am designierten „Ende des analogen Zeitalters“ widmet es sich ausgewählten Filmen aus dem analogen Bestand des Archivs der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen und untersucht Filmgeschichte als Geschichte individueller Filmkopien. Anstatt die digitale „Rettung“ eines filmischen Werkes als Ideal zu propagieren, interessiert sich das Projekt gerade für die Eigenheiten einer Kopie, die bei der Digitalisierung in der Regel getilgt werden. Man gelangt dabei zu Fragestellungen und Erkenntnissen, die mit einem konkreten Werdegang, mit lokalen Öffentlichkeiten und zeitgeschichtlichen Konstellationen zu tun haben. Wo und wann wurde ein Film überhaupt gezeigt, wer hat ihn gesehen, in welcher Fassung, in welcher Verfasstheit? Kopien unterscheiden sich voneinander, ihre konkreten Wirkungsgeschichten verlaufen unterschiedlich und lassen sich nicht ohne weiteres zu der Geschichte eines Films vereinheitlichen. Jede Kopie ist ein Original – und das nicht erst, wenn sich erweist, dass sie die einzige verbliebene Kopie eines Films ist, was angesichts des Verlusts von Negativen und der Ausmusterung analoger Medien ein immer häufigerer Befund ist.

pong film

„Welt-Spiegel: Innenansichten einer Außerseiterin oder Außenansichten einer Innenseiterin“, ein web doc von Mareike Bernien und Merle Kröger mit Navina Sundaram

Ginge es nach der Anzahl von Migrant*innen vor und hinter der Kamera, so zeigt die Medienlandschaft bis heute definitiv kein Abbild einer Einwanderungsgesellschaft. Damit hinkt sie nicht nur einer Realität hinterher, sondern beteiligt sich vielmehr an der Konstruktion einer hypothetischen Wirklichkeit, in der Migrant*innen von Sichtbarkeit, Repräsentation und Zugang zu wichtigen gesellschaftlichen Ressourcen ausgeschlossen bleiben. Dieses Narrativ vom Ausschluss und der Nicht-Repräsentation lässt gleichzeitig Personen verschwinden, die dennoch und trotz allem Mediengeschichte in Deutschland aus Perspektive der Migration mitgestaltet haben.

Navina Sundaram war bei ihrer Ankunft 1964 die Sensation im NDR: Eine Inderin im deutschen Fernsehen? Als politische Redakteurin und Auslandskorrespondentin womöglich? Unvorstellbar! Wie lesen sich 50 Jahre bundesdeutsche Zeitgeschichte mit den Augen einer Frau, die sich in einer von Männern und Mehrheitsgesellschaft dominierten Welt Sichtbarkeit im doppelten Sinne erkämpfen musste? Aufgewachsen in New Delhi, seit 1970 als Filmemacherin, Reisekorrespondentin und Moderatorin tätig, wird sie zum Gesicht für Sendungen wie Weltspiegel und Extra Drei.

Geplant ist, mit Arbeiten von Navina Sundaram eine Website zu erstellen, die als nonlineare, interaktive Biografie, Filmarchiv, Plattform zugleich funktioniert. Das Projekt soll dabei nicht nur ihr Werk einer breiten Öffentlichkeit zu Verfügung stellen, sondern darüberhinaus Gespräche zwischen ihr und der Autorin Merle Kröger zur Verfügung stellen und Mediengestalter*innen von heute einladen, einzelne Werke wieder neu diskutieren.

SAVVY Contemporary

Im Rahmen von Archive außer sich konzentriert sich SAVVY Contemporary hauptsächlich auf die Weiterentwicklung der schon bestehenden Archive: im SAVVY.doc sind seltene kulturelle und politische Publikationen aus aller Welt beheimatet; im Colonial-Neighbours-Archiv werden Objekte, Anekdoten und andere Spuren der deutschen Kolonialgeschichte gesammelt; das Performance-Archiv verhandelt Möglichkeiten des Archivierens von Vergänglichem; als eine Art Archiv fungieren sowohl eine Ausstellungsreihe mit Filmemacher*innen als auch die wöchentliche Filmreihe, die sich ein Jahr lang mit dem politischen Potential des Filmemachens beschäftigte; schließlich das Programmarchiv von SAVVY Contemporary, das Dokumentationen von Veranstaltungen und Ausstellungen in Video-, Foto- und Audioformaten enthält.

Projektstatement: "Die Frage des Archivs und des Archivierens ist eine der größten Herausforderungen für kleine Institutionen wie SAVVY Contemporary, die von Natur aus fragil und verletzlich sind und die sich kontinuierlich mit der Frage beschäftigen, was eine Institution eigentlich sein kann. Hierbei geht es zum einen um den Begriff und die Infrastruktur von Archiven, deren Prozesshaftigkeit und Performativität. Zum anderen gibt es einen dringenden Bedarf für ein unabhängiges und autonomes Archiv als forensischen Beweis, das es einer Institution erlaubt, seine eigene Praxis in die Geschichte einzuschreiben. Archivarbeit für eine solche Institution zu betreiben, wird aus dem banalen Grund zur Herausforderung, dass es ihr aufgrund ihrer intrinsischen ökonomischen Verletzlichkeit an der Infrastruktur mangelt, die nötig ist, um zu dokumentieren und ein Archiv zu unterhalten. Daher untersuchen wir in diesem Projekt die Verletzlichkeit und Fragilität von Archiven. Wir streben an, neue digitale Infratrukturen zu bilden, die in Bezug auf Kosten und Arbeitsaufwand nachhaltig sind aber dabei komplex genug, um Hacking und andere feindliche Angriffe zu verhindern. In einem solchen Projekt muss es auch um die unvermeidlichen Fragen von Vergänglichkeit gehen."

silent green Film Feld Forschung

Das Projekt „Stoffwechsel“ von silent green Film Feld Forschung ist eine Serie von Veranstaltungen, Workshops und Ausstellungen, die sich mit der Materialität des Films und mit der Erde als Archiv befassen. Film ist ein Gedächtnismedium, doch woraus besteht sein Gedächtnis und wie bildet es sich? Wie verhält sich der Film zu seinem Trägermaterial und zur Materialität des Abgebildeten? In welchem physischen Verhältnis stehen Körper und Landschaft zum Bild und damit zu den Betrachtenden und ihrer Umgebung? Mit Stoffwechsel nimmt Film Feld Forschung diverse Relationen, Materialien und Zeitlichkeiten in und mit der Erde in den Blick. Wie kann das Spannungsfeld von Ausbeutung und Heilung für die Perspektiven des bewegten Bildes, das Kino und das Verständnis von Archiven neu gedacht werden?

Gefördert durch:

  • Logo des BKM (Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien)
  • Logo des Programms NeuStart Kultur