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Mein Ansatz für das Living Archive Projekt ist es, Filme aus der Sammlung, die als Migranten-, Diaspora- oder Exilkino bezeichnet werden können, zu erforschen. Genauer gesagt interessiere ich mich für experimentelle oder essayistische Methoden der Filmproduktion von Filmemachern im Exil oder der Diaspora; Filmemacher, die nicht in ihrem Herkunftsland leben und sich mit Praktiken des Filmemachens beschäftigen, die auf eine Weise die Beziehung zwischen ihnen und ihren Heimatorten oder ihrer Vorstellung von Heimat erkunden.

Häufig ist das Migranten- und Diasporakino geprägt durch fiktionale, reale Erzählungen. Dabei interessieren mich Methoden des Filmemachens, die durch "experimentelle Stile geprägt sind und die den Versuch einer Repräsentation der Erfahrung, zwischen zwei oder mehr kulturellen Regimen von Wissen zu leben, unternehmen“ (Marks 1999, 22); die ferner durch ihre narrativen, ästhetischen oder produktionstechnischen Strategien darstellerische Herausforderungen postulieren.

Das Ziel wird sein, in dem Archiv nach Filmen zu forschen, die das Konzept von Heimat und Zugehörigkeit untersuchen – sei es durch irritierende oder poetische Strategien. Das Programm wird Themen wie Migration, Heimatlosigkeit und Exil sowie Erinnerung, Nostalgie und Zugehörigkeit umfassen. Andere Eigenschaften solcher Filme sind die des Wechselspiels zwischen dem Autobiografischen und dem Nationalen, dem Fiktionalen und dem Nicht-Fiktionalen, dem Narrativen und dem Nicht-Narrativen, dem Persönlichen und dem Politischen.

Der Schlüssel zur Auswahl wird sein, die Vernetzung der selektierten Filme ausfindig zu machen, sei es durch ästhetische Formen, den Beteiligten am Film oder ähnliches. Die Filmauswahl wird auch die Orte, Methoden und Praktiken in Betracht ziehen, wo und wie diese Filme entstanden sind; d.h. sich jenseits der Filme bewegen, in denen die Themen im wesentlichen durch die Erzählung oder die Form bestimmt werden.

In Anbetracht dessen, dass transnationale Mobilität und Migration „zu den Haupteinflüssen sozialen Wandels der zeitgenössischen Welt“ (Berghan & Sternberg 2010, 1) gehören, erlaubt bei der Untersuchung solch einer facettenreichen, internationalen Filmsammlung anhand der Begriffe "Migration" und "Experimentalfilm" andere Fragen zu stellen. Wie beispielsweise stellt das Archiv die Auffassung von "nationalem Kino" und "nationaler Identität" in Frage? Im Bereich der Filmwissenschaft ist das Konzept eines "nationalen Kinos" sicher besonders umstritten gewesen. In der Tat wird in Ländern wie Südafrika, wo eine komplexe Beziehung zwischen den Auffassungen von "Volk" und nationaler Identität besteht, ein solch theoretisches Gebiet häufig angefochten.

Das Ziel des Projektes ist, die Beziehung zwischen dem experimentellen Kino und nationaler Identität zu untersuchen und die Frage zu stellen, wie diese Filme die oftmals komplexe Beziehung zwischen Filmemacher und Ort zum Ausdruck bringen.

Filmreihe im Juni 2013

Ausgehend vom ersten Titel in der Sammlung des Arsenal, COME BACK, AFRICA (Lionel Rogosin, USA/Südafrika 1958), bringt die Reihe Filme zusammen, die sich in besonderer Weise mit den Themen Mobilität, Landschaft und Erinnerung auseinandersetzen. Das Programm untersucht die Funktion des Archivs als Plattform für die kritische Auseinandersetzung mit den Konzepten "Nation" und "nationale Identität", sowohl anhand der Filme selbst als auch anhand der Zirkulationsprozesse (Verleih und Präsentation), in die sie durch die Aufnahme in die Sammlung gelangen und durch die Gegenöffentlichkeiten und alternative nationale Narrative produziert werden.

Filme aus dem Archiv des Arsenal:

COME BACK, AFRICA (Lionel Rogosin, USA/Südafrika 1958)
Lionel Rogosins kraftvoller Klassiker ist einer der mutigsten und besten politischen Filme überhaupt. Nachdem er im Zweiten Weltkrieg den Terror des Faschismus hautnah erlebt hatte, schwor Lionel Rogosin, ihn immer und überall zu bekämpfen. Im Versuch das zu enttarnen, "was die Leute nicht sehen wollen", reiste Rogosin nach Südafrika und filmte dort heimlich COME BACK, AFRICA, der die Grausamkeit und das Unrecht zeigte, denen Schwarze und Farbige während der Apartheid ausgesetzt waren.

CANADIAN PACIFIC (David Rimmer, Kanada 1974)
Der Hafen von Vancouver, mit seinen Eisenbahnbetriebshöfen, den Bergen und den vorbeifahrenden Schiffen, als Landschaft in ständiger Transformation, über drei Wintermonate hinweg, gezeigt in 10 Minuten. Was mich an dieser Einstellung interessierte, waren die Horizontalen: die Gleise, das Wasser, die Berge, der Himmel, und wie diese vier Elemente sich verändern würden.

IMAGES OF ASIAN MUSIC: A DIARY FROM LIFE (Peter Hutton, USA 1973–1974)
IMAGES OF ASIAN MUSIC besteht aus Filmmaterial, das Peter Hutton zwischen 1973 und 1974 drehte, als er in Thailand lebte und als Seeman auf Frachtern arbeitete. Der Film ist eine persönliche Feier Asiens, bestimmt von Huttons Gespür für filmische Komposition und die Wahrnehmung dieser Bilder in einem stillen Moment, geschaffen vom Filmemacher.

WAS BLEIBT (Clarissa Thieme, Bosnien und Herzegowina 2009) handelt von den Leerstellen, die Krieg und Gewalt erzeugen. Der Film besteht aus langen, statischen Totalen von Plätzen und Landschaften im heutigen Bosnien Herzegowina. Die gezeigten Orte stehen für sich. Sie erklären sich nicht, sie werfen die an sie gestellten Fragen zurück.

GIRL FROM MOUSH (Gariné Torossian, Kanada 1993)
Eine poetische Montage der Reise einer Künstlerin durch das Armenien ihres Unterbewusstseins. Dieses Armenien hat mit dem wirklichen Armenien nichts gemein, sondern ist eine Art Vorstellung, so wie wenn man die Augen schließt und die mythische Stadt Shangri La erscheint.

LA NACION CLANDESTINA (Jorge Sanjinés, Bolivien 1989)
Sebastian Mamani, der Sargtischler vom Volk der Aymaras, entschließt sich, in sein Dorf auf dem Altiplano zurückzukehren, aus dem er vor Jahren von der Indio-Gemeinde, die er hintergangen und verraten hatte, verstoßen worden war. Auf seinem langen Weg zurück erinnert er sich an sein früheres Verhalten und an seine Vereinsamung in der Stadt, wo er für das berüchtigte Innenministerium gearbeitet und freiwillig Dienst in der Repressionsarmee geleistet hat. Das Bewusstsein der Entfremdung hat ihn dazu veranlasst, den Ort seines Ursprungs wieder aufzusuchen, um bei einem alten Tanz des Todes zu sterben und damit seine Vergehen zu sühnen.

GOING HOME (Adolfas Mekas, USA 1971) erinnert an einen Amateur-Reisefilm (der auch durch Italien führt, wo Adolfas Mekas St. Tula entdeckte), der Kommentar, gesprochen von Regisseur und seiner Frau Pola Chapelle (ebenfalls Filmemacherin), entstammt seinen Tagebüchern aus Litauen und aus dem deutschen Arbeitslager.

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