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YOU NAME IT!
Verschlagwortung und andere Wegweiser durch Filmarchive

23.–25. August 2018

Jedes Jahr im August bietet das Arsenal – Institut für Film und Videokunst eine Summer School an. Drei Tage lang setzen sich die Teilnehmer*innen mit einem Thema an der Schnittstelle von Theorie und Praxis auseinander.

Keywording, Tagging, Algorithmen, Verschlagwortung – all diese Begriffe umkreisen Möglichkeiten der Annäherung an Archive und die Herausforderungen, die eine Datenbank mit sich bringt. Wie findet man, was man sucht? Inwiefern sind die Begrifflichkeiten, die einem künstlerischen Werk zugeordnet werden, von der gegenwärtigen Rezeption bestimmt oder bestimmen diese? Wie unterscheiden sich Filmarchive von anderen Archiven und wie kann man Ephemeres wie „Oral History“ sichern und in eine sinnvolle Systematik der Suchfunktionen einbinden?

In den Beiträgen und Workshops der diesjährigen Summer School geht es um die Praxis der Verschlagwortung in Archiven, sowohl rückblickend als auch zukunftsweisend: Welche Anforderungen sollten Datenbanken der Gegenwart erfüllen? Können Suchfunktionen entwickelt werden, die jenseits des Zeitgeistes auch für die Zukunft Bestand haben? Welche Kriterien sind hierbei zu beachten?

Mit Beiträgen von Johannes Braun, Toby Cornish, Madhusree Dutta, Milena Gregor, Dr. Florian Hoof, Birgit Kohler, Sebastian Lütgert, Jasmina Metwaly, Volker Pantenburg und Stefanie Schulte Strathaus.

Die Veranstaltungen finden teils in deutscher, teils in englischer Sprache statt.

Anmeldung
Die Teilnehmer*innenzahl ist auf 30 Personen begrenzt. Plätze werden nach Eingang der Anmeldungen vergeben. Teilnahmegebühren: 135 Euro / 115 Euro (Mitglieder, Studierende, Berlin-Pass) / 95 Euro (Mitglieder im arsenal-Freundeskreis)

Anmeldeschluss ist der 17. August 2018

Anmeldeformular als PDF zum Download

Programm als PDF zum Download

Veranstaltungsorte
silent green Kulturquartier
Gerichtstr. 35, 13347 Berlin
& Kino Arsenal im Filmhaus am Potsdamer Platz
Potsdamer Str. 2, 10785 Berlin

Kontakt
Angelika Ramlow | Projektkoordination
summerschool(at)arsenal-berlin.de

Programm

Donnerstag, 23.8.

9:30 Uhr, silent green Kulturquartier
Ankunft und Begrüßung

10:30–11:30 Uhr, silent green Kulturquartier
Keywords in der Geschichte des Arsenals – ein Rückblick von Milena Gregor, Birgit Kohler und Stefanie Schulte Strathaus

Als das Arsenal 1987 seinen letzten analogen Verleihkatalog veröffentlichte, beinhaltete dieser sowohl Filmbeschreibungen als auch eine Reihe von Indexen, die den Zugang zu den Filmen mithilfe verschiedener Ordnungssystem erleichtern sollten. Neben der Sortierung nach Regisseur*innen, Ländern und einem Register der deutschen Verleihtitel, fand sich im Katalog auch eine Liste von Schlagworten. Es mag der Übersetzung einer analogen Liste in eine digitale Datenbank geschuldet sein, oder den Zweifeln an den in der Liste zusammengetragenen Begriffen: der Verleihkatalog von 1987 war das letzte Dokument, das eine solche Schlagwortsuche als möglichen Zugang zu den Filmen in der Sammlung des Arsenal anbot.

Die jetzige Datenbank ist nach Autoren*innennamen, Filmtiteln, Ländern, Produktionsjahren und technischen Formaten organisiert. Der Verzicht auf Schlagworte als Instrument der Sortierung und des Zugangs ging einher mit dem Zweifel an den Begriffen selbst. Die existierenden Kategorien anzuwenden würde eine Einschränkung und Vereinfachung der vielgestaltigen Ansätze der Filme bedeuten. Dieser Hinweis bringt uns zurück zu der Beobachtung, dass unser Gebrauch von Sprache in der Beschreibung unserer Praktiken weit komplexer ist als der alltägliche Umgang mit dem Archiv. Doch sollen wir deshalb vollständig auf die Arbeit mit Schlagworten verzichten?

11:30–13:30 Uhr, silent green Kulturquartier
KEYwording. Notes on Enculturation of Words and Word Practice within the Image Archive – Ein Living Archive Projekt von Madhusree Dutta

Im Rahmen des Archivprojekts „Living Archive – Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart“ untersuchten Madhusree Dutta und Ines Schaber „Keywords“ im internationalen Kontext. Zugrunde lagen zeitgenössische Debatten über die Versprachlichung kultureller Praktiken. Ihr Ziel war es, einen kulturübergreifenden Dialog zum Gebrauch und zur Verbreitung von Begriffen im Kontext kultureller Produktion herzustellen.

Das Projekt wurde von Ines Schaber und Madhusree Dutta durchgeführt, zwei Kulturarbeiterinnen, Künstlerinnen und Kritikerinnen aus Berlin und Bombay. Die Eigenheiten der Lebenserfahrungen in diesen beiden Städten, gepaart mit einer gemeinsame Haltung gegenüber der zeitgenössischen Gesellschaftsordnung, bildeten die Basis für ihre Reflexionen.

Ausgehend von Schlagwortprojekten aus den letzten 50 Jahren haben sie eine weitere Liste von Schlagworten erstellt, von denen sie behaupten, dass sie das unmittelbare Denken in kulturellen Praktiken und Diskursen adressieren und zudem, bis zu einem gewissen Grad, die Asynchronität von Erfahrungen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten repräsentieren.

13:30 Uhr, silent green Kulturquartier
Mittagessen im Restaurant Mars

15:00–16:30 Uhr, silent green Kulturquartier
Suchbilder revisited. Wie findet man Bilder mit Bildern?
Von Volker Pantenburg

„Jedes Archiv filmischer bewegter Bilder, ob als residentes Archiv oder als prozessuales Sortieren, das sich nach pikturalen Ähnlichkeiten strukturieren wollte, wird immer wieder auf das Problem einer Logik der Bilder zurückgeworfen“ – so Wolfgang Ernst, Stefan Heidenreich und Ute Holl zu Beginn des Bandes „Suchbilder. Visuelle Kultur zwischen Algorithmen und Archiven.“ Das Buch, 2003 erschienen und hervorgegangen aus der Auseinandersetzung zwischen Medien- und Kulturwissenschaft, Informatik und künstlerischer Praxis (insbesondere Harun Farockis filmischen Beiträgen zu einem „Archiv filmischer Ausdrücke“) forscht nach Alternativen zur Dominanz des rein sprachlichen Zugriffs auf das Archiv. Wie verändert sich der Zugriff auf das Archiv, wenn nicht mit Worten, sondern mit Bildern nach Bildern gesucht wird? Wenn Schlagbilder statt Schlagworten den Einstieg und die Verknüpfung bilden?

Seitdem sind 15 Jahre vergangen, in denen Fragen der automatisierten Bilderkennung und der algorithmischen Suche immer deutlicher ins Zentrum der Debatte gerückt sind und die Balance zwischen menschlichem und maschinellem Sehen sich zugunsten des maschinellen Sehens verlagert hat. In der konkreten Auseinandersetzung mit den Beständen des Archivs des Harun Farocki Instituts sollen in meinem Beitrag einige der Fragen von 2003 erneut aufgegriffen und diskutiert werden. Wie lässt sich die Logik von Schlagworten, Listen, sprachlichen Beschreibungen mit den Möglichkeiten bildinterner Adressierung verbinden, die heute in viel umfassenderem Maße gegeben sind? Und wie verhält man sich zu dem, was Tom Holert seinerzeit als das „post-politische, post-ideologische, post-semantische, post-soziale etc. Verfahren der Überführung von Kritik in Programmierung“ bezeichnet hat?

17:00–19:00 Uhr, silent green Kulturquartier
The Zen of Pad.ma“– Datenbanken der Gegenwart
Sebastian Lütgert im Gespräch mit Jasmina Metwaly

Nachdem wir nun schon seit über 10 Jahren Videoarchive wie 0xDB.org and Pad.ma und jüngst auch Projekte wie bak.ma und 858.ma betreiben, möchte ich ungern ausschließlich darüber sprechen, was wir machen, sondern vielmehr darüber, wie wir es machen.

Das Produkt unserer Arbeit ist online kostenlos zugänglich, transparent und reproduzierbar, während unsere Vorgehensweise – manchmal sogar für uns selber – oft ein Rätsel bleibt. Das „von Künstler*innen betriebene Archiv“ nimmt in einer weltweiten Umgebung des institutionalisierten Umgangs mit kulturellem Erbe nach wie vor eine Außenseiterposition ein, unsere Praktik der „freundschaftsbasierten Software-Entwicklung“ ist zumeist unbekannt in einer Technologie-Szene, die bloß Meetings und Milestones kennt. Auch wenn eine unserer wichtigsten Erkenntnisse, nämlich „Warten Verboten“ uns eine Anzahl von Fans, Follower*innen und sogar Freund*innen (darunter einige Arabisch Sprechende, die uns darauf aufmerksam gemacht haben, dass unser Slogan im Grunde nichts weiter als „Parkverbot“ bedeutet) eingebracht hat, sind wir nach wie vor der Auffassung, dass wir unsere Zeit diesen Sommer am besten damit zubringen sollten, die Frage zu erhellen, was genau es für die oben stehenden Projekte bedeuten mag, zuallererst, um jeden Preis „einfach zu machen“ – und die Fragen dann später zu stellen, die Grundlagenarbeit später zu machen, mit Komplettausfällen erst später fertig zu werden, und auch an Archivkonferenzen, Seminaren und Workshops erst später teilzunehmen. (Sebatian Lütgert)

858 ist eine Initiative mit dem Ziel, das gesamte Footage-Material, das zwischen 2011 und 2013 in Ägypten aufgenommen und gesammelt wurde, publik zu machen. Die Initiative macht bislang unerschlossene Aufnahmen erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. Ein Teil des Materials war zwar schon auf Youtube, allerdings größtenteils in veränderter Form. Zum Zeitpunkt seines Launch-Termins enthält das Archiv 858 Stunden rudimentär katalogisiertes und datiertes Videomaterial, das neben Fotografien und Dokumenten, die während dieser Zeit gesammelt wurden, in originaler Länge tausende Narrative der Rebellion erzählt.

858 ist ein laufendes Projekt, das für jegliche Interventionen, Interaktionen und Gegenaktionen offen ist. (Jasmina Metwaly)

19:00 Uhr, silent green Kulturquartier
gemeinsames Abendessen im Restaurant Mars (im Preis inbegriffen)

Freitag, 24.8.

10:00–12:00 Uhr, silent green Kulturquartier
Cornish und Braun: An den Rändern, rau
Filmstrategien für Fotoarchivevon Toby Cornish und Johannes Braun

Anhand ihrer Videoinstallation „an den Rändern rau", die für die Ausstellung „Unboxing Photographs – Arbeiten im Fotoarchiv“ in der Kunstbibliothek in Berlin erstellt wurde, erzählen die Filmemacher über den Arbeitsprozess - und die dabei entstandenen Analogien zwischen Archivierungssystematiken in den vier dokumentierten Archiven und der von den Künstlern benutzten Methode der archivarischen Filmmontage.

In vier Fotoarchiven in Berlin und Florenz wurden dafür in 1000 Einstellungen Oberflächen von Fotografien, Beschriftungen, Rändern, Räumen und Handlungen der Archivar*innen aufgenommen. Um die Materialität und die Logik der Archive nicht nur visuell darzustellen,  wurde die Montage der Einstellungen mit Hilfe von Karteikarten, Stichwörtern, Verschlagwortung und Kategorien bestimmt um dabei auch methodologisch die Archivarbeit zu reflektieren.

12:00 Uhr, silent green Kulturquartier
Mittagessen im Restaurant Mars

13:30–15:30 Uhr, silent green Kulturquartier
Praxis-Workshop „Wie würdest du entscheiden“?

Vier ausgewählte Filme werden in Gruppen gesichtet. Anschließend erarbeiten die Teilnehmer*innen Keywords, mit denen sie die Erfahrungsräume und Themenfelder der einzelnen Werke reflektieren und präzisieren.

16:00–18:00 Uhr, silent green Kulturquartier
Gemeinsames Sichten der Filme: Präsentation und Diskussion der Ergebnisse im Plenum

anschließend Umzug ins Arsenal

19:30 Uhr, Kino Arsenal 2
Verschlagwortete Filmgeschichte?
Filmprogramm mit einer Einführung von Milena Gregor

Seit Oktober 2009 folgt die Filmgeschichtsreihe des Arsenal – die Magical History Tour – dem Prinzip einer monatlich wechselnden thematischen Schwerpunktsetzung. Unter mal klassischen, mal freieren Überschriften wie „Farbe im Film“, „Montage“, „Raumdarstellungen“ aber auch „Lost Films Found“, „Kollektive“ oder auch „Flaneure im Film, flanierendes Kino“ werden pro Monat 10 bis 15 unterschiedlichste Filme (aus allen Epochen, Kontinenten, Stilrichtungen, Genres) miteinander in Beziehung gesetzt. Handelt es sich hierbei um eine „verschlagwortete“ Filmgeschichtsschreibung und wenn ja, welche Möglichkeiten bietet sie bzw. mit welchen Einschränkungen gilt es umzugehen?

20:00 Uhr, Kino Arsenal 2
Magnolia (Paul Thomas Anderson, USA 1999, 35 mm, OF, 188 min)
oder 21:15Uhr, Kino Arsenal 1
Gloria (John Cassavetes, USA 1980, 35 mm, OmU, 123 min)

Samstag 25.8.

10:00–12:00 Uhr, silent green Kulturquartier
Digitale Assistenzsysteme des Zugriffs: Unsicherheit und Entscheidungen digitaler Filmkultur von Dr. Florian Hoof

Digitale Streaming- und Archivplattformen wie Netflix, archive.org oder European Film Gateway bestehen aus einer Vielzahl von Daten. Außer dem eigentlichen „Inhalt“, den bewegten Bildern, umfasst dies die Ebene der Metadaten, die dem User Überblick und ein Navigieren durch die verfügbaren Inhalte verschaffen soll. Neben „klassischen“ Formen der Objektbeschreibung in Archiven wie Verschlagwortung, umfasst dies auch sogenannte Empfehlungssysteme, die dem User automatisch neue Inhalte vorschlagen. Netflix oder Google bezeichnen diese digitalen Assistenzsysteme als automatisierte algorithmische Verfahren oder als KI, künstliche Intelligenz. Wie verändert dies „Entscheidungen des Archivs“? Welche medienhistorischen Genealogien laufen hier mit einer etablierten Archivpraxis zusammen? Welche Konfliktfelder ergeben sich? Welche neuen Möglichkeiten des Zugriffs resultieren daraus? Und wie lassen sich diese Verfahren in der Vermittlung von Film- und Medienkultur einsetzen?

12:00 Uhr, silent green Kulturquartier
Mittagessen im Restaurant Mars

13:30–15:00 Uhr, silent green Kulturquartier
Workshop: Arsenal-Datenbank der Zukunft

Was sind die Wünsche und Anforderungen an eine Datenbank der Zukunft? Eine offene Diskussionsrunde

15:30–17:30 Uhr, silent green Kulturquartier
Abschlussdiskussion

17:30 Uhr, silent green Kulturquartier
Drinks

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