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It all depends #4

Anfang Oktober findet die vierte Veranstaltung von It all depends im Rahmen von Visionary Archive in Form zweier Abende statt. Am 1. Oktober ist Pier Paolo Pasolinis APPUNTI PER UN'ORESTIADE AFRICANA (Notizen für eine afrikanische Orestie, Italien 1969) zu sehen. Im Stil eines filmischen Notizbuchs erzählt, mischt sich Pasolinis dramaturgisches Interesse an einer Verfilmung der antiken Tragödie mit afrikanischen Darstellern mit einem ungebrochen kolonialen Blick auf Realitäten in Tansania, Uganda und Äthiopien. Die Struktur des filmischen Notizbuchs und dessen kulturideologische Aufladung fordern dazu auf, Pasolinis Film in Kontext mit zwei weiteren Filmen zu stellen. In ihrer Videoarbeit NOTES ON PASOLINI'S FORM OF A CITY (Deutschland 2013) untersucht Sandra Schäfer Pasolinis Afrika-Projektionen vor dem Hintergrund seiner Kritik an der Moderne. Wir zeigen den Film am 3. Oktober zusammen mit Haile Gerimas radikaler Gesellschaftssatire MIRT SOST SHI AMIT (Ernte 3000 Jahre, Äthiopien 1975), gedreht in Äthiopien am Ende der Herrschaft von Haile Selassie.

Die sich über zwei Abende erstreckende Konstellation der drei unterschiedlichen Film-Erzählungen fördert sowohl geografische als auch ideologische Beziehungen nicht ohne kritische Spannung zutage, die im Bild der Landschaft, der Stadt und ihrer Architektur greifbar werden. Absicht ist es, auf diese Weise Verallgemeinerungen zu afrikanischen Realitäten zu entkräften und an ihrer Stelle das Sprechen über filmische Bilder konkreter Orte, Zeiten und Zusammenhänge zu ermöglichen. Kulminationspunkt der drei Filme ist die Stadt Addis Abeba und das Bild der Hinterlassenschaft der kurzen italienischen Kolonisierung Äthiopiens (1936–1941).

Mi, 1.10., 20 Uhr, Kino Arsenal 2
zu Gast: Sandra Schäfer, Moderation: Marie-Hélène Gutberlet, Tobias Hering
APPUNTI PER UN'ORESTIADE AFRICANA (Notizen für eine afrikanische Orestie)
, Pier Paolo Pasolini, Italien 1969, OmU, 73 min

In seinem filmischen Notizbuch unternimmt Pasolini den Versuch, Aischylos' "Orestie" in das "moderne Afrika" zu verlegen und Parallelen zwischen der antiken Tragödie und den jungen Demokratien sichtbar zu machen: "Afrika ist am gleichen Wendepunkt seiner Geschichte angelangt wie Argos zur Zeit Orests: am Übergang von einer archaischen Zivilisation zur Demokratie." (PPP)
Wie in kaum einem anderen Film werden hier Pasolinis Themen und Idiosynkrasien transparent und auch die bisweilen blinde Leidenschaft einer "Struktur, die eine andere Struktur sein will", wie Pasolini diese Drehbuchform einmal charakterisierte.

Fr, 3.10., 19.30 Uhr, Kino Arsenal 2
zu Gast: Sandra Schäfer, Moderation: Marie-Hélène Gutberlet, Tobias Hering
NOTES ON PASOLINI'S FORM OF A CITY
, Sandra Schäfer, Deutschland 2013, OmE, 25 min
MIRT SOST SHI AMIT (Ernte 3000 Jahre)
, Haile Gerima, Äthiopien 1975, OmU, 138 min

Sandra Schäfer leiht sich von Pasolini die Vorgehensweise der filmischen Notizen, um selbst eine Skizze anhand Pasolinis APPUNTI PER UN'ORESTIADE AFRICANA zur Form der Stadt zu entwerfen. Sie re-montiert Ausschnitte aus Pasolinis Filmen, kommentiert diese und erweitert sie durch neues Material. In Pasolinis APPUNTI kritisieren afrikanische Studierende in Rom die Art und Weise, in der Pasolini das Demokratieverständnis der griechischen Orestie auf das gegenwärtige Afrika überträgt. Pasolini zeichnet die ineinander verwobenen Prozesse der Modernisierung nach und zeigt sich zunehmend enttäuscht über die Auswirkungen des globalen Kapitalismus, dem, seiner Meinung nach, radikaler als dem Faschismus in Italien die Vereinheitlichung und das Auslöschen von Unterschieden gelänge.
Haile Gerima, der 1967 in die USA emigrierte und an der UCLA in Los Angeles gemeinsam mit Charles Burnett, Julie Dash und Larry Clark studierte, drehte mit MIRT SOST SHI AMIT seinen ersten Film in Äthiopien in der Übergangsphase zwischen dem Ende des Regimes von Haile Selassie und der Machtübernahme durch Mengistu Haile Mariam. Er verwendet Szenen aus dem Alltagsleben einer Bauernfamilie und verwebt diese zu einem dichten Bild der Ausbeutung durch die herrschende Klasse. Gerima verbindet hier seine radikale, an Frantz Fanon geschulte Kritik mit einer eigenwillig virtuosen Bildsprache, welche die gesellschaftliche Situation spürbar macht, die er mit tragischen bis irrwitzigen Figuren lebendig werden lässt.

Veranstaltungsdatum: 1. und 3.10.2014