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13.02. 15:00 OmEU Arsenal 1

16.02. 20:30 OmEU Arsenal 2

18.02. 13:30 OmEU CineStar 8

Düsseldorf, Anfang der 1970er Jahre. Der junge, introvertierte Beuys-Schüler Hans lernt Ruth kennen, eine jugendliche Streunerin, die in einem Stadtpark lebt. Fasziniert von ihr, macht er Ruth zum Motiv seiner Videoarbeit und nimmt sie bei sich auf. Ruth wächst schnell in die Künstlerszene um Hans hinein, sie nimmt einen Job als Aktmodell an der Akademie an. Doch Hans misstraut ihrem neuen Leben, er argwöhnt, dass Ruth mit der Wandlung zum ‚Glamourgirl’ nur vor sich selbst flieht. Für ihn bleibt sie das rätselhafte, verirrte Mädchen, in das er sich insgeheim verliebt hatte, ein Sujet, das er mit niemandem teilen will. Eifersüchtig auf seinen besten Freund Philipp, sperrt er Ruth im Atelier ein, um – wie er glaubt – im Reagenzglas der Kunst ihr Geheimnis zu erforschen. Mit diesem Experiment geraten ihm Kunst und Leben unauflösbar durcheinander.

Auf dem Hintergrund der skeptischen post-68er-Jahre zeichnet Das schlafende Mädchen ein Porträt zweier ungleicher Einzelgänger, die in ihrem beschädigten Leben vergeblich aneinander Halt suchen. Im Stil eines selbstrefexiven Videoexperiments, aber mit dramatischen Mitteln des narrativen Kinos, lässt der Film eine Zeit lebendig werden, in der die ersten portablen Videosysteme unter Künstlern populär wurden und sich parallel zur aufkommenden Videokultur eine wichtige Epoche der Performance-Kunst ausformte.

Das schlafende Mädchen ist ein fiktiver Künstlerfilm. Sein dokumentarischer Stil grundiert die psychologische Bewegung der Geschichte, er ist organischer Bestandteil der Erzählung. Wir erleben das Geschehen über Hans’ Blick darauf, jedem Bild ist sein künstlerischer Wille aufgeprägt – es ist Hans’ Film, den wir sehen. Die dramatische Handlung ereignet sich an der Reibungsstelle zwischen Hans’ Absicht und dem Unvorhergesehenen, das ohne – und oft gegen – sein Zutun eintritt. So erzählt der Film von Hans’ Kontrollverlust über seine Inszenierung, wir nehmen teil an einem Kampf um die Bilderhoheit, einem Kampf mit der Wirklichkeit des Ereignisses, dessen zentrale Gestalt Ruth ist.

Hans’ künstlerisches Programm ist dabei kein protokollarisches: als Aktionskünstler ist er selbst Protagonist seiner Bilder, in seinen Selbstinszenierungen untersucht er elementare Eigenheiten des Mediums – Figur im Raum, Verhältnis von Bildraum zu realem Raum – und seine eigene Beziehung dazu. Wie der jung verstorbene holländische Künstler Bas Jan Ader, mein historisches Vorbild, erschafft Hans sich selbst als melancholisch-ironische, Buster-Keaton-artige Kunstfigur, die den Widrigkeiten der Realität mit stoischer Duldung begegnet und so in der Konsequenz ganz wirklich zum Spielball wird. Hans’ Film ist also immer auch ein Projekt der Selbsterforschung, in dem die Differenz zwischen Kunstfigur und realem Hans den Funken zur dramatischen Handlung schlägt. (Rainer Kirberg)

Entschlossenheit und Manie sind heute selbstverständliche Bestandteile des Images des modernen Künstlers; sein Wahnsinn, seine Einsamkeit im Atelier, all das ist Pop. Der Mythos des modernen Künstlers ist in Das schlafende Mädchen nicht nur deshalb so zugänglich, weil mit Joseph Beuys der berühmteste deutsche Künstler des 20. Jahrhunderts eine elegante kleine Nebenrolle spielt, sondern weil er zur Grundausstattung jugendlicher Träume und Projektionen geworden ist. Christoph Schlingensief und Jonathan Meese finden sich heute sogar im Prime time TV – nicht ihre Arbeiten oder Filme, sondern sie in Person, als Verkörperungen eben dieses Mythos’. Das schlafende Mädchen spielt effizient und intelligent mit dieser Vertrautheit und erzählt vor diesem Hintergrund eine emotionale Liebesgeschichte, die zeitlos und berührend ist. (Stephan Geene)

Die thematisch wie medial-formale Begegnung von Videokunst, Spielfilm und den charismatischen Großprojekten der Bildenden Kunst der 70er als Vorgeschichte der 80er Jahre und nicht als Nachgeschichte von 68 zu erzählen, ist eine brilliante Idee und nicht nur für den deutschen Film und seine Geschichte, sondern auch für die zur Zeit überall, oft mit fragwürdigen Mitteln betriebene Neubestimmung einer Kunstgeschichte der beiden deutschen Staaten, von hoher Wichtigkeit. (Diedrich Diederichsen)

Rainer Kirberg, geboren 1954, Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Als Künstler, Filmemacher und Autor in der Film- und Fernsehindustrie tätig. Vier Spielfilme, darunter der 1980 entstandene Kultfilm Die letzte Rache. Seit 1978 künstlerische Arbeiten (Film, Rauminstallation, Performance), gezeigt in Institutionen wie der Secession Wien und den Berliner KunstWerken. Musikclips in der deutschen und internationalen Independent-Musikszene, zum teil in der Sammlung der Cinémathèque Française. Neben bekannten Schauspielern wie tcheky Karyo (Nikita), Erwin Leder (Das Boot) und Peter Lohmeyer arbeiteten die Dalí-Muse und ‚Disco-Queen’ Amanda Lear und die Underground-Filmlegende Kenneth Anger mit Rainer Kirberg zusammen.

Buch/Regie: Rainer Kirberg

Produzenten: Rainer Kirberg, Caroline Kirberg, tøni Schifer, Jonas Knudsen, Stephan Geene

Darsteller: Jakob Diehl, Natalie Krane, Christoph Bach

Bildgestaltung: Birgit Möller

Szenenbild: Stefanie Lindner;

Kostüm: Petra Wellenstein

Maske: Nadja Fröhlich; Lichtgestaltung: Armin Mobasseri

Ton: Manja Ebert

Schnitt: Ansgar Wacker

Format: HDCAM

Länge: 105 Minuten

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