Direkt zum Seiteninhalt springen

116 Min. Rumänisch.

Dana kommt nach Bukarest zurück und beschließt, nicht nach Hause zu fahren. Sie bezahlt den Taxifahrer für die ganze Nacht. Zur selben Zeit geht Andrei zum Sport und hat danach Sex mit einem Mann. Am nächsten Morgen treffen sich Dana und Andrei in ihrem Ehebett und verbringen den Tag zusammen. Es könnte ihr letzter gemeinsamer sein.
Eine Beziehungsgeschichte in drei Kapiteln, die Zustandsbeschreibung eines Paares im Verlauf von 24 Stunden. Es geht nicht um eine psychologische Annäherung, vielmehr um das Einfangen von Stimmungen und Atmosphären. Auch wenn Dana und der Taxifahrer kein ausführliches Gespräch führen, wird alles gesagt. Man spürt ihre Einsamkeit, wenn sie nach dem Telefonat mit Andrei ihr Handy ausmacht. Er wiederum wirkt seltsam verloren in der Wohnung des Sexpartners. Die nächtlichen Kapitel sind im 1:1-Format gedreht und fokussieren einen Mann und eine Frau, die jeweils auf sich selbst zurückgeworfen sind. Am Morgen weitet sich der Bildausschnitt und das Paar muss sich fragen, ob es noch Raum und Platz für Gefühle gibt. Was ist geschehen? Weshalb können die beiden trotz der Nähe und Zärtlichkeit, die sie füreinander empfinden, einander keinen Halt mehr geben? (Anke Leweke)

Marius Olteanu wurde 1979 in Bukarest (Rumänien) geboren. Von 2000 bis 2004 studierte er Filmregie an der Nationaluniversität der Theater- und Filmkunst „Ion Luca Caragiale“ in Bukarest. 2008 schloss er ein Studium der Filmregie an der National Film and Television School in Beaconsfield (United Kingdom) ab. Neben seiner Arbeit als Autor und Regisseur ist er auch als Fotograf tätig. Nach vier Kurzfilmen ist Monștri. Olteanus Spielfilmdebüt.

Eine Liebesgeschichte mit umgekehrten Vorzeichen

In der letzten Szene von MONȘTRI. stellt Dana Arthur die Frage: „Warum bist du all die Jahre bei mir geblieben?“ Woraufhin er zurückfragt: „Und du? Warum bist du immer noch bei mir?“ MONȘTRI. ist eine Liebesgeschichte mit umgekehrten Vorzeichen, ein Film über die Sehnsucht und darüber, wie weit man gehen kann, um einen anderen Menschen kennenzulernen und mit ihm zusammen zu sein.
Der Film spielt in Bukarest, die Handlung erstreckt sich über vierundzwanzig Stunden und gliedert sich in drei Teile: Ein Teil widmet sich Dana, ein anderer Arthur, der dritte Teil zeigt die beiden zusammen. Die ersten beiden Teile spielen im Verlauf derselben Nacht: Unabhängig voneinander, aber zur gleichen Zeit vermeiden es die beiden Hauptfiguren, nach Hause zu gehen. Sie ziehen die Gesellschaft von Fremden vor: Dana bezahlt einen Taxifahrer, der über Nacht mit ihr im Taxi bleibt, während Arthur zunächst durch die Stadt streift und sich dann entschließt, über eine Dating-App einen Mann zu treffen. Auch wenn beide versuchen, es zu vermeiden – am nächsten Tag müssen sie der Realität ins Gesicht sehen. Und manchmal ist der größte Liebesbeweis der, den anderen gehen zu lassen.
Die Arbeit an dem Film begann mit einer Reihe von Interviews mit Paaren, die seit langem verheiratet sind. In diesen Gesprächen ging es um Liebe, um das Bedürfnis, mit jemandem zusammen zu sein, um die Dinge, die man aus Liebe bereit ist zu tun, und darum, wie sich dies mit der Zeit verändert, über das Ende der Liebe, über Kompromisse. Im Zuge dieser Interviews stieß ich auf einen verheirateten Mann, der verzweifelt versuchte sich anzupassen, sich gut zu benehmen, ein guter Gläubiger zu sein, die Standards einer perfekten Familie zu erfüllen – obwohl ihm all dies überhaupt nicht entsprach und er in der Folge sehr unglücklich war. Er war ein ruhiger, introvertierter Mann. Arthur. Seine Frau habe ich nie kennengelernt. Ich beschloss, diesen Teil der Geschichte selbst zu entwickeln. Dana.

Heikles Thema: Homosexualität
Rumänien ist ein ebenso traditionelles wie restriktives Land. In Arthur sehe ich das Maß der gesellschaftlichen Werte und Grenzen. Der Zusammenprall zwischen den Werten meiner beiden Protagonisten und denen der Gesellschaft findet auf diskrete Weise statt, ist jedoch kontinuierlich spürbar.
Ich habe versucht, das Drehbuch so organisch wie möglich zu schreiben, hinterfragte jedes einzelne fiktive Element und bemühte mich, die tiefe Menschlichkeit herauszuarbeiten, die in der verzweifelten Suche meiner Figuren nach Liebe liegt. Gleichzeitig war es mir wichtig, die Dissonanzen, die absurden und auch die humorvollen Momente zu zeigen, die ebenfalls Teil dieser unsagbar traurigen Situation sind.
Die Auswahl der Schauspieler*innen gestaltete sich schwierig. Unter den rumänischen Darstellern herrschte eine gewisse Zurückhaltung, einen schwulen Mann zu spielen, sodass die Suche nach dem passenden Hauptdarsteller zur Herausforderung wurde. In dieser Hinsicht ist der Film ein Novum im rumänischen Kino. Die richtige Darstellerin für die Rolle der Dana zu finden, war aufgrund der komplexen Mischung aus Stärke und Zerbrechlichkeit der Figur nicht weniger aufwendig.
Im Vorfeld der Dreharbeiten versuchte ich etwas, was ich vorher noch nie ausprobiert hatte: Nach ausführlichen Gesprächen mit den beiden Schauspielern über die Figuren, die sie spielen sollten, und nach umfänglichen Proben organisierte ich Paartherapie-Sitzungen für sie, bat sie, aus der jeweiligen Perspektive der Figuren heraus auszuloten, ob sie ihre Beziehung verbessern könnten. Das Ergebnis war erstaunlich, die Erkenntnisse ermöglichten uns sowohl, über das Drehbuch hinaus viel mehr in die Tiefe zu gehen als auch Dinge über uns selbst zu erfahren, von denen wir bis dahin nicht gewusst hatten.

Bukarest als Filmfigur
Die Dreharbeiten folgten dem Ablauf des Drehbuchs, dabei passte ich das Skript kontinuierlich unseren Entdeckungen im Verlauf der Arbeit an, immer bemüht, die Wahrhaftigkeit jeder einzelnen Szene herauszuarbeiten. Auch aus diesem Grund war es mir sehr wichtig, mit neuen, unverbrauchten Schauspieler*innen zu arbeiten, mit Darsteller*innen, die bereit waren, ihre Figuren nicht nur gut zu spielen, sondern gewissermaßen in sie hineinzuwachsen.
Bereits während der Arbeit an meinem Kurzfilm TIE (2015) hatte ich ein Team um mich versammelt, das auch der Ausgangspunkt für diesen Spielfilm wurde. Gemeinsam mit dem Kameramann und dem Production Designer übertrugen wir Worte und Bedeutungen auf eine visuelle Ebene und versuchten, für jeden Drehort und jeden Moment des Films einen eigenen Ausdruck, einen eigenen Ton zu finden.
Unser Ziel war es, MONȘTRI. eine einmalige und überzeugende Identität zu verleihen, die den Themen entspricht, um die es in dem Film geht. Die Wohnungen, in denen wir gedreht haben, stammen aus unterschiedlichen Epochen und decken einen Zeitraum von beinahe fünfzig Jahren ab. Jede von ihnen gibt auf diskrete, aber deutliche Weise Auskunft über die Menschen, die sie bewohnen. Anhand der Orte, Wohnungen und ihrer Bewohner wollten wir eine Art Röntgenaufnahme von der rumänischen Gesellschaft herstellen: Die kommunistischen Wohnhäuser der 70er- und 80er-Jahre, die Stil- und Orientierungslosigkeit der Apartments der 90er-Jahre, die protzigen, stilisierten Innenausstattungen der letzten zehn Jahre – alle Wohnungen sagen etwas über die Figuren aus. Auch Bukarest sollte eine Figur im Film werden. Die Stadt ist ein Monster, ein Ort, der sich im Kampf befindet. In gewisser Weise sind Dana und Arthur typische Geschöpfe dieser Stadt, ebenso wie die Menschen, denen sie begegnen. Sie leben in einer Scheinwelt und scheinen nicht über eine klare Identität zu verfügen.
MONȘTRI. wurde in unterschiedlichen Bildformaten gedreht, je nachdem, ob die Figuren gemeinsam oder jeweils allein im Bild agieren. Wir wollten den Eindruck einer Vollständigkeit des Bildes vermitteln, wenn zum Beispiel Dana und Arthur gemeinsam im Bild zu sehen sind, bzw. verdeutlichen, dass ein enger Bildausschnitt immer auch zur Folge hat, dass Dinge aus dem Blickfeld geraten.
Es ist mir wichtig zu betonen, dass ich MONȘTRI. für einen notwendigen Film halte. In einem Klima zunehmender Intoleranz Menschen gegenüber, die anders sind, geht es mir darum, die Vorstellungen der Zuschauer*innen in Frage zu stellen, den Unterschied zu zeigen zwischen dem, was wir vorgeben zu sein, und dem, wer wir wirklich sind. Ich hoffe, dass MONȘTRI. die Zuschauer*innen ermutigt, ihr eigenes Leben zu hinterfragen und sich selbst und anderen gegenüber toleranter zu sein. (Marius Olteanu)

Produktion Claudiu Mitcu, Robert Fița, Ioachim Stroe, Marius Olteanu. Produktionsfirmen Parada Film (Bukarest, Rumänien), Wearebasca (Bukarest, Rumänien), Marius Olteanu (Bukarest, Rumänien). Regie, Buch Marius Olteanu. Kamera Luchian Ciobanu. Montage Ioachim Stroe. Sound Design Ioan Filip, Dan Ștefan Rucăreanu. Ton Mihnea Bogos. Production Design Alexandra Alma Ungureanu Stroe. Kostüm Alexandra Alma Ungureanu Stroe. Maske Elena Tudor. Mit Judith State (Dana), Cristian Popa (Arthur), Alexandru Potocean (Taxifahrer), Șerban Pavlu (Alex), Dorina Lazăr (Mamaie), Gabriel Răuță (Popescu), Alina Berzunțeanu (Anca Popescu), Alina Tarbă (Alina), Rolando Matsangos (Alinas Ehemann), Rodica Lazăr (Betrunkene Frau).

Weltvertrieb Alpha Violet
Uraufführung 09. Februar 2019, Forum

Filme

2007: Sunday Afternoon (30 Min.). 2008: Why Don’t You Dance? (30 Min.). 2015: Tie (29 Min.). 2017: No Man’s Land (20 Min.). 2019: Monștri. / Monsters.

Foto: © Luchian Ciobanu

Gefördert durch:

  • Logo des BKM (Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien)
  • Logo des Programms NeuStart Kultur