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16 mm, 41 Min. Englisch.
(läuft in einem Programm mit EINE PRÄMIE FÜR IRENE)

„Allein machen sie dich ein“, wussten schon Ton Steine Scherben. So könnte man auch Helke Sanders ersten mittellangen Spielfilm Eine Prämie für Irene überschreiben und den Dokumentarfilm The Woman’s Film des San-Francisco-Newsreel-Kollektivs. Sander porträtiert Irene, eine alleinerziehende Mutter und Arbeiterin in einer Waschmaschinenfabrik. Im Alltag lässt sie sich nichts gefallen, weder die Ungleichbehandlung im Betrieb noch die sexuelle Belästigung durch Männer. Doch klar ist: Ohne solidarische Geschlechtsgenossinnen wird sie keine Chance haben. Die Frauen in The Woman’s Film sind schon einen Schritt weiter, sie haben sich zu einer Frauenrechtsgruppe zusammengeschlossen und berichten hier in Interviews von Diskriminierung, Rassismus und Gewalt in Beziehungen. Ein Stück ungefilterter Oral History, das die Militanz der frühen 70er Jahre wiederaufleben lässt. (svr)

Das Filmkollektiv Newsreel wurde im Dezember 1967 in New York gegründet. Schnell entstanden zahlreiche weitere Newsreel-Gruppen in den USA, die 16mm-Filme über die zeitgenössische Antikriegs- und die Frauenbewegung produzierten und vertrieben und eng miteinander vernetzt arbeiteten. Die Filmemacherinnen Judy Smith, Louise Alaimo und Ellen Sorrin initiierten 1970 in der in San Francisco ansässigen Newsreel-Gruppe die Dokumentation The Woman’s Film, an deren Produktion ausschließlich Frauen beteiligt waren.

Die Macht der Veränderung

Frauen wurden in der amerikanischen Gesellschaft von heute ignoriert, isoliert und zu der Überzeugung gebracht, daß ihre Probleme persönlicher Art seien, daß sie aus ihren eigenen, individuellen Unvollkommenheiten entständen.
THE WOMAN’S FILM erzählt eine andere Geschichte. Die interviewten Frauen sind der Meinung, daß ihre Probleme einen gesellschaftlichen Ursprung haben. Sie sind als Frauen unterdrückt - sozial, wirtschaftlich, psychologisch.
Interviewt werden Frauen, die zuhause und außerhalb arbeiten, Mütter, die von Wohlfahrtsunterstützung leben, und junge Frauen. Sie diskutieren die persönlichen Probleme, denen sie als Frauen zuhause und im Beruf begegnet sind. Sie sprechen über Probleme, die ihr Leben beeinflussen: den Krieg, die Fürsorge, die Heirat und die Männer.
Jede der Frauen spricht nicht nur über die Erfahrungen, die sie dazu brachten, ihre Rolle als Frau in Frage zu stellen, sondern auch über das, was sie tut, um ihre Lage zu verändern. Diese Frauen arbeiten in Einrichtungen wie Welfare Rights, Kinderfrühstücksprogrammen, Gewerkschaften, PTAs Gruppen zur Befreiung der Frau mit.
Der Film gibt Frauen die Möglichkeit, sich mit den Erfahrungen und Gefühlen der Frauen im Film zu identifizieren und so zu einem tieferen Verständnis der Entscheidungen zu gelangen, die sie getroffen haben. Er vermittelt die Idee, daß die Frauen stark sind, wenn sie vereinigt sind, und daß sie, wenn sie zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen, die Macht besitzen, sinnvolle und notwendige Veränderungen in diesem Lande herbeizuführen.

(Newsreel-Films, Nr. 5, Katalog)

Das Newsreel-Kollektiv

THE WOMAN’S FILM unterscheidet sich von anderen Filmen dadurch, daß er ausschließlich von Frauen geschrieben, gedreht und geschnitten wurde. Die Gruppe von Judy Smith, Louise Alaimo und Ellen Sorrin ist Mitglied der San Francisco Newsreel, einer nichtgewerblichen Organisation junger Filmemacher, die Dokumentarfilme produzieren und verleihen.Die Filmemacher waren der Ansicht, daß die etablierten Medien die Frauenbewegung diskreditierten, weil sie ihre Aufmerksamkeit auf sensationelle Nachrichten konzentrieren, anstatt auf die berechtigten Sorgen und Bedürfnisse der Frauen einzugehen.
THE WOMAN’S FILM beschäftigt sich in erster Linie mit armen und berufstätigen Frauen. Nachdem sie sich mit einigen Frauengruppen in der Bay-Gegend unterhalten hatten, wählten die Filmemacher mehrere Frauen aus, die interviewt werden sollten. Auf der Grundlage der vorangegangenen Interviews wurde ein Drehbuch geschrieben, das den Gruppen und den Newsreel-Mitarbeitern zur Kritik und Gutachtung vorgelegt wurde. Die Mitglieder der Filmgruppe teilten sich ihre Arbeit in allen Bereichen der Produktion: Geldbeschaffung (die während der ganzen Produktionszeit fortgesetzt wurde), Schreiben des Drehbuches, Filmen und Schneiden.
Die Newsreel-Filme versuchen Mythen über Studenten, Radikale, Schwarze, Arme und Frauen zu zerstören, indem sie deren Ansichten und Erklärungen zu Ereignissen, die in diesem Land geschehen, darlegen. Die Themen reichen von innenpolitischen Problemen – Studentenunruhen, der Krise in den Städten, der Arbeiterbewegung – bis zu internationalen Geschehnissen wie dem Kampf der Dritten Welt. Diese Filme werden in Zusammenarbeit mit Menschen in den Bezirken und an den Arbeitsplätzen gemacht. Es sind die unmittelbar von den Problemen tangierten Menschen, die in den Newsreel-Filmen zu Wort kommen.

‚Filmische Propaganda’. Befreite Frauen greifen zur Kunst

Die aktiven Mitglieder der Frauenbewegung greifen auch zum Film, um sich selbst Ausdruck zu geben. Judy Smith und Louise Alaimo von Newsreel, ein Kollektiv radikaler junger Filmer und Filmerinnen mit Büros in New York, Boston und San Francisco, haben gerade THE WOMAN'S FILM fertiggestellt, der in diesem Monat herauskommen wird.
Der 45-Minuten-Film zeigt arme und arbeitende Frauen, schwarze und weiße, die über die Unterdrückung, die sie fühlen, sprechen. Die gezeigten Frauen sind in der Gemeindearbeit und Projekten wie etwa der Fürsorgebewegung aktiv, und die Filmemacher sehen sie als Beispiele für eine Bewußtseinsänderung. Es ist ein engagierter Dokumentarfilm, weil die interviewten Frauen einerseits interessant sind und der Film andererseits gut gemacht ist – akzentuiert durch Musik und Collagen.

(Beverly Koch, San Francisco Chronicle, The Voice of the West, Tues., Feb. 2. 1971. Pressespiegel 1971)

Realisiert von Women's Caucus – San Francisco Newsreel (Louise Alaimo, Judith Smith, Ellen Sorrin).

Foto: © Courtesy of Third World Newsreel

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