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71 Min. Russisch.

Zu Beginn steht die Anklage: Victor soll einen Mechaniker auf dem Boot, auf dem er als Matrose arbeitete, mit mehreren Schlägen getötet haben. Von dort folgt Gorod usnul in drei Kapiteln den Ereignissen, die dazu geführt haben könnten. Nach dem Unfalltod seiner Lebensgefährtin verlässt Victor das Schiff und geht an Land. Nach und nach verschiebt sich seine Wahrnehmung, und eine ohnehin schon durchgehend abweisend-kalte Welt scheint sich mehr und mehr in ein allumfassendes Totenreich zu verwandeln, in dem alle und alles schlafend liegen. Maria Ignatenko erzählt vom Vorlauf zu einem Mord, ohne dabei aber direkte Kausalitäten ins Feld zu führen. Alles hängt hier stets eigenartig in der Luft, wir sehen Dinge, ohne uns sicher zu sein, was genau wir gesehen haben. Innen und Außen verschwimmen zu einem gefrorenen Zwischenraum, der weder das eine noch das andere ist und die Welt aus einer anderen, verschobenen Perspektive in den Blick nimmt. Gorod usnul ist still und insistierend, schwebend ohne jegliche Leichtigkeit und entwirft so eine kinematographische Welt des Verlustes. (ab)

Maria Ignatenko wurde 1986 in Moskau geboren. 2008 schloss sie ihr Journalismusstudium an der Lomonossow-Universität Moskau ab. Es folgte ein Regiestudium an der Moscow School of New Cinema, wo Ignatenko seit 2018 als Dozentin im Fach Regie tätig ist. GOROD USNUL ist ihr erster abendfüllender Film.

Innere Leere, äußere Stille

In diesem Film geht es um Verlust. Wenn man jemanden verliert, den man liebt, fühlt man sich, als hätte die Welt aufgehört zu existieren. Als wäre sie eingeschlafen. Unser Film lässt diese Metapher lebendig werden. Er zeigt die innere Welt eines Menschen, der eine geliebte Person verloren hat. In dieser Welt schlafen alle. Der Protagonist trifft auf bewusstlose, vor sich hin murmelnde Körper, zu denen er es nicht schafft durchzudringen.
Die visuelle Ästhetik ähnelt der eines traumartigen Zustands. Für mich ist die emotionale Landschaft des Films sehr wichtig; ich möchte, dass die Zuschauer*innen eine Verbindung zu der fragilen Psyche des Protagonisten herstellen. Er fühlt sich innerlich leer, aber seine persönliche Tragödie bringt die dunkle Seite seines Wesens zum Vorschein und lässt ihn zu einem Kriminellen werden.
Was vor Gericht geschieht, steht im Gegensatz zu seinem Gemütszustand. Der Film endet damit, dass er über das zugefrorene Meer Richtung Horizont läuft. Diese Szene ist eine Allegorie des Todes und der Reinigung, der absoluten Dunkelheit und vielleicht auch des absoluten Lichts.
Wir haben viel Liebe und Sorgfalt auf das Casting verwendet, weil wir glauben, dass bei Menschen, die für existenzielle Wahrnehmungen empfänglich sind, Asymmetrie, Sprödigkeit, Unbeholfenheit und Feinsinnigkeit entscheidende Charakteristika sind. Die meisten Figuren des Films werden von Seeleuten und Menschen ohne Schauspielausbildung gespielt.
Für uns ist dies ein sehr russischer Film, und beim Casting und bei der Auswahl der Drehorte war es uns wichtig, auch in Russland mit seinen verschiedenen Gesichtern und Landschaften, seiner Kälte, seiner Schönheit und seiner Hässlichkeit zu bleiben.
Der Ton ist in unserem Film von großer Bedeutung. Die schlafende Stadt ist in eine Stille gehüllt, die nur durch das Atmen ihrer Bewohner*innen gestört wird. Man hat fast den Eindruck, als wäre es das eigene Atmen. Es ist beängstigend und beruhigend zugleich. Der Ton ist auch das Mittel, um das Publikum in einen Zustand tödlicher Ruhe zu versetzen, die gegen Ende des Films durch die Anwesenheit der einzigen Person, die wach ist, gestört wird. Diese Zerstörung der Stille ist sehr unangenehm und fast schmerzhaft, sowohl für den Protagonisten als auch für die Zuschauer*innen. In der letzten Szene kehrt die Stille zurück und bringt Linderung. Erhaben und gleichzeitig mit Leben erfüllt, wird sie nur von dem Knirschen des Eises unter den Füßen des Protagonisten begleitet. (Maria Ignatenko)

Produktion Konstantin Fam, Katerina Mikhaylova. Produktionsfirmen Vega Film (Moskau, Russische Föderation), Konstantin Fam (Moskau, Russische Föderation). Regie, Buch Maria Ignatenko. Kamera Veronika Solovyova. Montage Maria Ignatenko. Musik Oqjav. Sound Design Roman Kurochkin. Ton Roman Kurochkin. Production Design Lyudmila Duplyakina. Kostüm Lyudmila Duplyakina. Maske Vera Baratova. Casting Maria Ignatenko. Ausführende*r Produzent*in Lyudmila Duplyakina. Mit Vadik Korolyov, Dmitry Kubasov, Lyudmila Duplyakina, Galina Lebedinets (Viktors Mutter), Vasilisa Zemskova (Nikas Freundin).

Weltvertrieb REASON8

Filme

2015: Yuha (29 Min.).

Foto: © Vega Film

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