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74 Min. Italienisch.

Die Zapruder filmmakersgroup inszeniert in zwölf Vignetten die nie erzählten Geschichten von Herkules. An Tankstellen und Kreisverkehrsinseln, in Sporthallen, Büstenlagern und bei Musikfestivals begegnen wir dem griechischen Helden als entfernte Übersetzung: Performances von Körpern und Maschinen stellen Szenen aus Sandalen-Filmen nach, die mit ihm in Verbindung stehen. Herkules und die Idee des Mythos an sich begegnen uns in diesem Film zugleich zersprengt und verdichtet: Die Geschichten sind unkenntlich geworden, übrig bleibt das immer gleiche Motiv des Kampfes – gegen Bagger, Trainingssäcke, die Zeit oder sich selbst. Zeus Machine. L'invincible ist Dokument von Performances und selbst als Film eine Performance, die Modi des Narrativen, Dokumentarischen und Experimentellen in Bewegung bringt, um einen alten Mann ordentlich durchzuschütteln und anschließend aufzulesen, was von ihm übrig bleibt. (ab)

David Zamagni wurde 1971 in Rimini (Italien) geboren. Nach seiner Ausbildung als Vermessungstechniker begann er ein filmwissenschaftliches Studium an der Università di Bologna DAMS (Discipline delle Arti, della Musica e dello Spettacolo). 1994 wurde Zamagni Mitglied der Theatergruppe Motus. Ende der 1990er-Jahre wandte er sich dem Film zu, 2000 gründete er zusammen mit Nadia Ranocchi und Monaldo Moretti das Filmkollektiv Zapruder. Seit 1998 schreiben, produzieren und inszenieren Ranocchi und Zamagni ihre Arbeiten gemeinsam.

Nadia Ranocchi wurde 1973 in Rimini (Italien) geboren. 1997 schloss sie ihr Studium der Psychologie an der Università di Bologna ab. Zusammen mit David Zamagni und Monaldo Moretti gründete Ranocchi 2000 das Filmkollektiv Zapruder. Die Gruppe inszeniert Videoinstallationen, die sich insbesondere mit Sprache und Medien auseinandersetzen. Seit 1998 schreiben, produzieren und inszenieren Ranocchi und Zamagni ihre Arbeiten gemeinsam.

Eine Geschichte über ZEUS MACHINE. L’INVINCIBILE

Das zentrale Thema von ZEUS MACHINE. L’INVINCIBILE ist der Mythos. Um darüber zu sprechen, haben wir Herkules ausgewählt, eine der beliebtesten Figuren der Antike und der einzige Held, der aufgrund seiner Arbeit in Erinnerung geblieben ist.
Ausgehend von unserer Auffassung, dass Herkules ein Symbol des Lebens ist und des Kampfes, sich diesem zu stellen, liefert der Film eine Interpretation der Gesellschaft, die auf einem absoluten Wert und nicht auf einer vergänglichen Wahrheit basiert; ein unbesiegbares Bild der Welt, das nicht auf das Dogma von linearer Zeit bezogen ist: der Mythos, ein wiederkehrendes Element von unbekannter Herkunft, ohne Anfang und Ende. Seit jeher bestimmt er Ereignisse und leitet alle menschlichen Handlungen. Aufgrund seiner Natur ist er ein perfektes Werkzeug, um das Wesen des Kinos zu erforschen.
ZEUS MACHINE. L’INVINCIBILE ist in zwölf ‚Fälle’ unterteilt, die an die Heldentaten von Herkules erinnern und zeigen, was von diesem Mythos heute noch übrig ist. Bei der Arbeit an unseren Projekten teilen wir die Zeit zwischen unserer lokalen Bibliothek und den jeweiligen Drehorten auf. Diese beiden Bereiche beeinflussen sich gegenseitig und sind zwangsläufig mit der Umgebung, in der wir leben, verbunden: einem kleinen Dorf mit zwei Bars, zwei Kirchen, zwei Banken und eintausend Einwohnern, die meisten davon Arbeiter und Bauern.
An diesem Ort bewirkt jedes einzelne Ereignis eine ungezügelte Mythologie, die sich ohne jede
Einschränkung von Bar zu Bar, von Kirche zu Kirche verbreitet. Während der Vorproduktion von ZEUS MACHINE. L’INVINCIBILE beispielsweise fanden wir heraus, dass einige Jugendliche aus der Gegend überzeugt davon waren, dass wir Pornos drehten. Eines Abends gingen wir in der Bar auf sie zu, und nach ein paar Gläsern stellten sie sich unverfroren als Mitwirkende für „einen unserer Filme“ zur Verfügung. Wir engagierten sie auf der Stelle. Diese Bar wird von Zwillingsschwestern betrieben und befindet sich in einer Gegend, in der es sonderbarerweise zahlreiche Zwillinge gibt. Sie wurde zu einem zentralen Schauplatz des Films. Wir konnten nicht umhin, der mythologischen Regel zu folgen, nach der die Welt eine Offenbarung ist, da Herkules selbst einen Zwilling hatte.  

Andere Geschichten über ZEUS MACHINE. L’INVINCIBILE
Aus der Suche nach Herkules‘ Spuren ergaben sich mindestens zwölf verschiedene Drehorte, die mit ihnen verbundenen Reisen und Begegnungen erstreckten sich über drei Jahre. Einige dieser Begegnungen reichten sogar noch weiter zurück, wie im Fall der kleinen Schlangenbeschwörerin, die wir kennenlernten, als sie sieben Jahre alt war. Wir waren in Cocullo, am Vorabend des Sankt-Dominikus-Tags, und sie saß dort mit einer Schlange in der Hand auf dem Boden. Wir unterhielten uns ein wenig, und beinahe brachte sie uns dazu, das Tier in die Hand zu nehmen – aber wir waren dann doch nicht dazu bereit. Zwei Jahre später fuhren wir erneut in die Abruzzen, um ihr Gesicht zu filmen und ihr auf der Suche nach ‚ihren’ Schlangen in den Wald zu folgen. Heute müsste Francesca etwa dreizehn Jahre alt sein.
Auch die animierte Episode des Films kam durch eine Reihe von Begegnungen zustande. Wir wollten jemanden treffen, der in Sandalenfilmen Herkules oder einen von seinen Gegenspielern oder Freunden gespielt hatte. Also trafen wir uns in Rom mit dem Filmkritiker Marco Giusti, einem Freund von Genrefilmen und, Ko-Autor, gemeinsam mit Steve Della Casa, von „Il grande libro di Ercole. Il cinema mitologico in Italia“ („Das große Buch des Herkules. Das mythologische Kino in Italien“). Mit ihm zusammen haben wir überlegt, welche wenigen Herkulesse überhaupt noch leben und welche davon wir in unser Projekt einbeziehen könnten. Wir verabschiedeten uns mit dem Plan voneinander, uns bald wieder zu treffen um zu sehen, was von den Kostümen aus Cinecittàs goldenem Zeitalter übrig geblieben war. In der Zwischenzeit erinnerte sich ein Freund von uns daran, dass ein enger Freund seiner Familie ein berühmter Schauspieler ist, der in seiner Jugend Hauptrollen in Cinecittà- und Hollywood-Produktionen gespielt hatte und dann später als Synchronsprecher und am Theater gearbeitet hatte: Sergio Fantoni.
Unbegreifliche Fügungen des Schicksals haben uns alle miteinander verbunden, ohne dass wir uns dessen bewusst waren: Sergio hatte hat bereits in unserem ersten Film, SPRING ROLL (2001), mitgewirkt, als Synchronstimme von Colonel Kurtz aus APOCALYPSE NOW. Außerdem war er Herkules’ Gegenspieler in ERCOLE E LA REGINA DI LIDIA (Hercules Unchained, 1959) gewesen! Wir fuhren nach Mailand, um ihn persönlich zu treffen und uns seine Geschichten vom Kino und vom Theater erzählen zu lassen. Irgendwann war er vom Reden müde und ließ uns stehen. Ihm ist vor über zwanzig Jahren der Kehlkopf entfernt worden, und nur weil er als Schauspieler arbeitet, war er in der Lage, eine Technik entwickeln, mit der er ohne Geräte sprechen kann. Das war mehr, als wir uns erträumt hatten: die perfekte Stimme für unser Raumschiff in Gestalt des Herkules Farnese, und dazu eine kostbare Freundschaft.

Die Beschaffenheit der Zeit
Wir haben für ZEUS MACHINE. L’INVINCIBILE mit verschiedenen Arten von Sets gearbeitet: Manche waren intim und befanden sich in geschützten Räumen, wo man alles kontrollieren und Szenen wiederholen konnte. An anderen Drehorten geschah genau das Gegenteil: Die Sets wurden in Anwesenheit eines Publikums eingerichtet und als Live-Performance getarnt; man hatte nur ein Take zu Verfügung, um die jeweilige Szene zu drehen – so ähnlich, als würde man den Abriss einer Brücke oder eines Gebäudes filmen.
Mit dieser Art von Sequenzen im Film geschieht etwas Ungewöhnliches; wir reden hier nicht von potenziellen Probleme mit den Aufnahmen oder dem Schnitt, sondern von der Zeit, genauer gesagt: der Beschaffenheit der Zeit.
Dies ist ein entscheidendes Thema in unserem Film. In der Tat zeigen wir in ZEUS MACHINE. L’INVINCIBILE zwei verschiedene Zeiten, die nebeneinander laufen und sich gegenseitig antreiben: die konkrete, historische Zeit der Mythologie und die Bewegungslosigkeit des Mythos, der außerhalb der geschichtlichen Zeit liegt. Daraus entsteht eine rein filmische Gleichung: Mythos : Set = Mythologie : Schnitt.
In den zwölf Fällen, die in unserem Film gezeigt werden, erleben wir ab und zu diese unterschiedlichen Typologien der Zeit, die in ihrer Kombination eine narrative Maschine mit einer sehr dichten inneren Struktur ergeben. (Nadia Ranocchi, David Zamagni)

„Die Schlacht stellt, solange sie dauert, und nur weil sie andauert, eine Art Sieg dar ... Der dunkelste Moment wäre der, in dem man am Ende der Schlacht sagen müsste: ‚Eine Stunde ist vergangen‘.“ (Furio Jesi)

Zapruder

Nadia Ranocchi und David Zamagni, zusammen Zapruder, schreiben und produzieren gemeinsam Filme, Video-Installationen und Live-Performances. Der Name Zapruder bezieht sich auf den Amateurfilmer Abraham Zapruder, der die berühmten Bilder von der Ermordung John F. Kennedys machte und damit durch Zufall in dem Jahrhundert zum Erzähler wurde, das vom Niedergang aller historischen Erzählungen geprägt ist.
Die Arbeit von Zapruder basiert auf der Erforschung neuer visueller und sprachlicher Codes von nichtlinearen Erzählstrukturen. In ihren Filmen experimentieren Ranocchi und Zamagni mit dem, was sie als „Montage durch Addition“ bezeichnen; dabei stellen sie kurze Sequenzen ohne offensichtlichen Bezug hintereinander. Diese Struktur erinnert an die freie Assoziation von Ideen, die in der psychoanalytischen Praxis zur Erforschung des Patienten und zur Förderung der Katharsis dient. Gleichzeitig lässt diese Art der Montage an ein Bombardement mit beliebigen Informationen und Bildern denken, von denen Menschen im alltäglichen Leben überwältigt und beeinflusst werden.

Produktion David Zamagni, Nadia Ranocchi. Produktionsfirma Zapruder film (Roncofreddo, Italien). Regie, Buch David Zamagni, Nadia Ranocchi. Kamera Monaldo Moretti. Montage David Zamagni, Nadia Ranocchi. Musik Francesco Fuzz / ZEUS! Brasini. Sound Design Mattia Dallara. Ton Gilles Barberis. Production Design David Zamagni, Nadia Ranocchi. Kostüm David Zamagni, Nadia Ranocchi. Maske Ginevra Mei. Regieassistenz Monica Comandini. Production Manager Nadia Ranocchi. Co-Produzent*in Beatrice Bulgari. Co-Produktion In Between Art Film. Mit Sergio Fantoni, Paolo Zanfanti, Mirco Zanfanti, Francesca Ricci, Marco Mazzoni, Enrico Zoffoli, Nicola Menghetti, Bastien Meunier, Elenora Amadori, Luca Cavina, Paolo Mongardi.

Filme

David Zamagni: 2000: H.O.L.Y. (3 Min.). 2001: Spring Roll (20 Min.). 2002: Totentanz (12 Min), J.G. (12 Min.), Doggy Bag with Spring Roll (24 Min.). 2004: Rebus per Ada (16 Min.). 2005: Morning Smile (30 Min.). 2007: Daimon (50 Min.). 2008: Pletora. Il dono (Installation). 2009: Cock-Crow (44 Min.). 2010: All Inclusive (67 Min.), Joule (22 Min.). 2011: Suite (3 Min.), Spell. The Hypnotist Dog (22 Min.). 2012: Pletora (16 Min.), I topi lasciano la nave / The Rats Leave the Ship (30 Min.). 2015: Speak in Tongues (22 Min.). 2016: Salita all’Olimpo (12 Min.). 2017: Phoenix, Amore brucio... (12 Min.).

Nadia Ranocchi: 2000: H.O.L.Y. (3 Min.). 2001: Spring Roll (20 Min.). 2002: Totentanz (12 Min.), J.G. (12 Min.), Doggy Bag with Spring Roll (24 Min.). 2004: Rebus per Ada (16 Min.). 2005: Morning Smile (30 Min.). 2007: Daimon (50 Min.). 2008: Pletora. Il dono (Installation). 2009: Cock-Crow (44 Min.). 2010: All Inclusive (67 Min.), Joule (22 Min.). 2011: Suite (3 Min.), Spell. The Hypnotist Dog (22 Min.). 2012: Pletora (16 Min.), I topi lasciano la nave / The Rats Leave the Ship (30 Min.). 2015: Speak in Tongues (22 Min.). 2016: Salita all’Olimpo (12 Min.). 2017: Phoenix, Amore brucio... (12 Min.).

Foto: © Zapruder

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