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Vor einer Weile wurden Menschen in ganz Georgien Zeugen eines surrealen Anblicks – ein großer Baum schwamm übers Meer. Der mächtigste Mann des Landes, hieß es damals, habe eine neue Leidenschaft und lasse jahrhundertealte Bäume auf sein Privatgrundstück bringen.

Das Bild glich einer Störung der Wirklichkeit, als hätte ich etwas gesehen, das ich nicht hätte sehen sollen. Es war ein schöner Anblick, ein Wirklichkeit gewordenes Gedicht, und doch schien hier etwas nicht zu stimmen.

Ich machte mich daran zu filmen, wie sich der mächtige Mann an der georgischen Küste seinen Wunsch erfüllt. Ich wollte wissen, was hinter diesem betörenden, surrealen Anblick steckte. Ich wollte vom Ehrgeiz eines Mannes erzählen, der Landschaften bewegt, Bäume versetzt, entgeisterte Menschen zurücklässt – und alles nur zu seinem Privatvergnügen.

Entwurzelung ist etwas, das ich auch mit meinem Land verbinde, dessen Werte und Gegenwart nicht festgefügt sind.

Mich fasziniert, wie sehr der Mensch durch seine Lebensumwelt geprägt wird, genauer gesagt, wie wir andere und uns selbst in einer bestimmten Umwelt wahrnehmen. Der Unterschied zwischen der Umwelt und den Menschen, die in ihr leben, treibt oftmals meine filmische Vision voran. Der Film hat nicht nur eine inhaltliche Dimension. Das Material war aussagekräftig zu verschiedenen Lebensaspekten, die im Film ihren symbolischen Niederschlag finden: Vorstellungen von Männlichkeit, erzwungene Migration, Entwurzelung als Prozess nicht nur physischer Art. Entwurzelung ist etwas, das ich auch mit meinem Land verbinde, dessen Werte und Gegenwart nicht festgefügt sind. Ich betrachte den Film als suggestive Reise in eine surreale Welt, die paradoxerweise auf wahren Begebenheiten beruht.

Wir haben fast zwei Jahre gedreht. Monat für Monat sind wir mit einem kleinen Team an die Küste gereist, um neues Material zu filmen. Der Dreh war schwierig, weil wir nicht planen konnten. Wir waren von Wind und Wetter abhängig, wir mussten auf unerwartete Zwischenfälle beim Transport der Bäume und sogar auf tagespolitische Ereignisse reagieren. Einen Baum kann man nur sehr langsam verpflanzen, aber Schlüsselmomente ereignen sich unter Umständen sehr schnell. Vor die größte Herausforderung haben uns aber die Einheimischen gestellt. Der Mann, der hinter den Baumtransporten steckt, ist nicht nur reich, er ist auch der politisch mächtigste Mann Georgiens. Deswegen wollten viele Menschen nicht vor die Kamera treten, aus Angst vor negativen Folgen – eine Angst, die uns in Georgien in Fleisch und Blut übergegangen ist, wie den Menschen in anderen fragilen Demokratien auch.

Übersetzung: Gregor Runge

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