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Maha Maamoun: In deiner Arbeit vermischen sich über viele Jahre hinweg Deine akademische und filmische Praxis. Wenn Du zurückblickst, kannst Du dann bestimmte Veränderungen, Wellen oder Stadien in der Entwicklung Deiner Praxis und Deiner Interessen ausmachen?

Matthias De Groof: Man könnte diese Veränderungen als Geschichte meiner Selbst-Dekolonisierung beschreiben. Wenn ich „Dekolonisierung“ sage, bin ich mir vollkommen bewusst, dass der Begriff für viele verschiedene Zwecke instrumentalisiert und missbraucht wurde, darunter nicht zuletzt zum Erhalt der Kolonialität selbst. Retrospektiv glaube ich, dass mein Antrieb – sowohl in der Praxis als auch in der Theorie – damals und heute der Versuch ist, der Beharrlichkeit der Kolonialität fortwährend entgegenzutreten. Der Film ONDER HET WITTE MASKER: DE FILM DIE HAESAERTS HAD KUNNEN MAKEN (Under the White Mask: The Film That Haesaerts Could Have Made), der in der Forum Expanded-Ausstellung zu sehen sein wird, nutzt die Worte von Aimé Césaire. Rückblickend hat alles mit ihm begonnen. Als ich sein Buch „Über den Kolonialismus“ als 19-Jähriger gelesen habe, hat es mir die Augen geöffnet. Nicht der Kolonisierte, sondern der Kolonisator ist der Rohling!

Ich erinnere mich, dass ich es meinem Großvater, der Kolonialarzt war, als ultimativen Beweis dafür gab, dass seine Ansichten über den Kolonialismus falsch waren. Er las es in einem Rutsch, sagte aber kein Wort – er sprach nur durch sein Schweigen. Ich hatte das Gefühl, dass er entweder verblüfft war oder dass er es relativiert hat – oder beides. Ich vermute, dass die Leute, die den Film ONDER HET WITTE MASKER mit Césaires Text sehen werden, vielleicht ebenso die Relativierungskarte spielen werden, den Film abtun als „Césaires Meinung“, als einen Standpunkt unter vielen. Als ich das Buch las, war es mir unmöglich zu relativieren – und ich hoffe das wird vielen Zuschauer*innen so gehen. Und zwar gerade wegen Césaires explizit subjektivem Standpunkt und seiner unverblümten Umkehrung der herrschenden Ansichten über Zivilisation und Wildheit, die mich kolonisiert haben.

Als ich Aimé Césaires Buch „Über den Kolonialismus“ als 19-Jähriger gelesen habe, hat es mir die Augen geöffnet. Nicht der Kolonisierte, sondern der Kolonisator ist der Rohling!

Maha: Ich frage mich, ob Du in der Rückschau Verbindungen und Veränderungen in deiner Arbeit oder in den Strategien, die Du verfolgst, erkennen kannst?

Matthias: Es gibt zwei Elemente der Kontinuität. Das eine ist die Reibung zwischen Theorie und Praxis. Die Praxis befreit mich aus den Sackgassen, in die ich in der Theorie gerate. Das ist ein ständiger Austausch. Man kann sagen, dass in der Theorie die Vorstellungskraft begrenzt ist, aufgrund bestimmter hegemonialer Zentrismen, wie etwa der Phallozentrismus, der Eurozentrismus, der Antropozentrismus … Doch in der Praxis kann die Vorstellung zur Überwindung dieser Zentrismen genutzt werden. Das zweite Element ist – von heute aus betrachtet – das Archiv. Das hat mit meinem Film JERUSALEM, THE ADULTEROUS WIFE (2008) begonnen, einer politischen Kritik propagandistischer Filme, bei der ich israelische Filme über eine Ausgrabung nutze, um die Aussage zu treffen, dass Ausgrabungen immer politisch gerahmt sind. Es fällt mir auf, dass ich mit ONDER HET WITTE MASKER zu einer Idee des Archivs als Technik im Sinne Ariella Aïsha Azoulays zurückkehre, während ich gleichzeitig ein Gegenarchiv aufbaue. In meinen Arbeiten LOBI KUNA (2018) und PALIMPSEST (2019) nutze ich zum Beispiel nur Fragmente aus Archiven als Illustrationen. In ONDER HET WITTE MASKER argumentiere ich auf der Ebene des Archivs selbst.

Maha: Es lässt sich also sagen, dass deine Nutzung des Archivs sich verändert hat – von der Verwendung von Ausschnitten hin zu einer Befragung, einer „Sabotage“ des Archivs. Du argumentierst, dass das Archiv bereits im Moment seiner Konstituierung anders hätte sein können. Was Dir wiederum den Vorwurf der Relativierung einhandeln könnte. Kannst Du hierzu mehr sagen?

Matthias: Das Archiv – mit großem A – ist sehr oft eine staatliche Institution mit einem hegemonialen Diskurs, der eine bestimmte Ideologie legitimieren soll. Es ist kein neutraler Ort. Nichtsdestotrotz kann das Archiv – oder zumindest die Bedeutungen, die man Tönen und Bildern und dem Verhältnis zwischen ihnen zuschreiben kann – verändert werden. Diese Art von Veränderungen findet etwa in den Filmen von John Akomfrah oder Vincent Monnikendam statt. Was ich meine, wenn ich sage, dass das Archiv anders hätte sein können, ist, dass Paul Haesaerts, dessen kolonialen Film ich mir zu eigen mache, einen ganz anderen (antikolonialen) Film hätte machen können. Mit meinem Film beweise ich das, denn alle Bestandteile, die ich zusätzlich zu seinen Bildern verwende – wie Text und Musik–, standen auch Haesaerts bereits zur Verfügung. Indem ich dies zeige, stelle ich auch die Idee in Frage, dass wir uns in Richtung eines gesteigerten postkolonialen Bewusstseins weiterentwickelt haben. 1958 gab es bereits antikoloniale Filme, Musik, Literatur und militärische Kämpfe. Wir hatten pan-afrikanische und tri-kontinentale Konferenzen, Unabhängigkeitspolitik und so weiter. Die Tatsache, dass Haesaerts seinen Film nicht in diese globalen Bewegungen einschrieb oder sie sogar ignorierte, sagt mehr über ihn selbst aus. Dass er koloniale Propaganda produzierte, macht ihn nicht zu einem „Kind seiner Zeit“, sondern zeigt, dass er sich nur auf einer Seite der Geschichte befand: auf der Seite des Archivs. ONDER HET WITTE MASKER „entkoppelt“ seine Bilder vom Archiv.

Paul Haesaerts hätte einen ganz anderen (antikolonialen) Film hätte machen können. Mit meinem Film beweise ich das, denn alle Bestandteile, die ich zusätzlich zu seinen Bildern verwende – wie Text und Musik–, standen auch Haesaerts bereits zur Verfügung.

Maha: Der Wikipedia-Eintrag zu Haesaerts beschreibt den Belgier als „ein künstlerisches Multitalent, dessen dokumentarische Filmpraxis viel Beachtung erfuhr.“ Angesichts dieser Formulierung habe ich mich ganz generell gefragt, inwieweit dekoloniale Revisionen eigentlich öffentliche Plattformen erreichen. Haesaerts Film, zum Beispiel, war ein Kunst-Dokumentarfilm, der an einem kolonialen Diskurs teilnahm oder diesen sogar bestätigte. Fünfzig Jahre später widersprichst Du Haesaerts Film, nutzt ihn und stellst ihn auf den Kopf. Mich interessieren die Kontexte, in denen Dein Film zirkulieren soll oder die sich deinem Film öffnen. Sind die Kontekte, in denen der Film gezeigt wird, für Dich ein Weg, den dekolonialen Diskurs voranzutreiben?

Matthias: Ich hoffe in jedem*r Zuschauer*in ein ähnliches Gefühl hervorzurufen, wie ich es hatte, als ich zum ersten Mal Césaires Buch las, wenn auch ausgelöst von einem anderen Medium. Erstens geht es mir darum, die Tatsache zu teilen, dass der Kolonialismus den Kolonialisten zum Wilden macht, nicht die Kolonisierten. Diese Idee, dass er Europa zum Tier macht, war gleichermaßen ein Schock und eine Offenbarung für mich. Die zweite Idee, die der Film mit dem*r Zuschauer*in teilen möchte, ist Césaires Destabilisierung der künstlichen Grenzen zwischen Kolonialismus und Faschismus. Césaire war einer der Ersten, die Faschismus als nach innen gerichteten Kolonialismus verstanden. Wenn ich mit Menschen in meinem Alter spreche, dann fällt mir auf, dass diese künstlichen Grenzen im kollektiven Gedächtnis aufrechterhalten werden. Der Film richtet sich deshalb an ein Publikum, das durch ihn diese beiden Dinge lernen könnte und das erkennen könnte, dass sie heute relevant sind, angesichts des Erstarkens von Faschismus, aber auch angesichts der kolonialen Gegenwart etwa in unserem Verhältnis zur Natur.

Maha: Das ist von großer Relevanz, schließlich erfreut sich, wie Du es in einem anderen Interview ausgedrückt hast, „der Kolonialismus bester Gesundheit“ und das Gleiche gilt für den Faschismus. Deshalb ist es so wichtig, die Verbindung zwischen diesen beiden Dingen herauszustellen, die bisher vielleicht noch nicht so deutlich wie nötig herausgestellt wurde. In einer Diskussion Deines Films PALIMPSEST hast Du über die Budgetierung der Renovierung des Africa Museum gesprochen: Wenn man den Finanzplan genau studiert, dann sieht man anhand der Verteilung der Gelder, die für dieses Renovierungsprojekt ausgegeben wurden, dass die Regierungspolitik viel stärker auf die physische Renovierung ausgelegt ist, als auf die Dekonstruktion und Revision der kolonialen Politiken des Museums, die in dessen museologischen Praktiken fortbestehen. Und so stellte sich die Renovierung des Museums, deren initiale Idee einmal in einem Willen zur Dekolonisierung des Museums begründet gewesen sein mag, schlussendlich als imun gegen die tiefgehende Untersuchung seiner kolonialen Politiken heraus. All die Parlamentsdebatten, die von der Regierung verabschiedeten Gesetze, die den Umbau absegneten, haben sich nicht wirklich mit seiner Dekolonisierung befasst oder die Dekonstruktion der kolonialen Grundlagen dieses Museums in Angriff genommen – geschweige denn sie finanziert. Das bringt mich zu dem Backlash, den die Rassismus- und Dekolonialisierungsstudien in der französischen Wissenschaft kürzlich erfahren haben. Sie wurden als Studienfächer dargestellt, die Spaltung betrieben. Es scheint also ein doppelter Ausschluss am Werk zu sein. Der dekoloniale Diskurs wird sowohl aus der öffentlichen Debatte und der Gesetzgebung verdrängt, als auch innerhalb des wissenschaftlichen Diskurs isoliert. Als jemand, den dieses Feld sowohl künstlerisch als auch akademisch interessiert: Hast Du das Gefühl, der dekoloniale Diskurs wird an den Rand gedrängt?

Nicht einen einzigen Gedanken verschwenden manche Leute an die Idee, dass es alles in allem besser gewesen wäre, erst gar keine Museen gebraucht zu haben.

Matthias: Es mag überraschen oder auch nicht, aber die französische Ministerin für Hochschulbildung, Frédérique Vidal, hat kürzlich die postkolonialen Studien mit neuen Formen militanten Radikalismus und linksextremem Islamismus und Verbindung gebracht. Sie hat praktisch versucht, die postkolonialen Studien zu delegitimieren. Postkoloniale Studien umfassen, unter anderem, Kolonialität in kulturellen Ausdrucksformen wie etwa der Literatur oder in internationalen Beziehungen, im Gesetz, in der künstlichen Intelligenz und so weiter. Sie untersuchen wie sich Kolonialität wandelt und erneut entsteht. Dekolonialität geht einen Schritt weiter als Postkolonialismus und versucht – teilweise unter Zuhilfenahme postkoloniale Analysen, die Kolonialiät abzuschaffen. Man kann also sagen, dass der Film, den ich gemacht habe, eine dekoloniale Handlung darstellt. Kurz nach Vidals Ansage hat die britische Staatsministerin für Universitäten, Michelle Donelan, „Dekolonisierung“ der Geschichte mit „Zensur im Stil der Sowjetunion“ verglichen. Das ist interessant, denn es weist auf die zu oft übersehene Verbindung zwischen Dekolonialität und Antikapitalismus hin.

Außerdem glaube ich – wenn ich optimistisch sein darf –, dass die Angriffe auf Post- und Dekolonialität auch auf eine produktive Krise hinweisen könnten. Sie durchbrechen die dekoloniale Echokammer in der alle die gleichen Überzeugungen teilen. Die echte dekoloniale Herausforderung ist jedoch mit den Leuten außerhalb der Echokammer zu sprechen, die nicht die gleichen Überzeugungen haben, also der Rechten, extremen Rechten, der Alt-Right und der moderaten Rechten. Das Problem ist, dass dieser Dialog oft „abgebrochen“ oder zensiert wird, vor allem in den eher konservativen Medien. Dennoch liegt die Herausforderung meiner Meinung nach hier. Und deshalb könnte es eine produktive Krise sein, eben weil es die dekoloniale Echokammer aufbricht und uns zwingt, die offensichtlichen Verknüpfungen von Kapitalismus und Kolonialität zu erkennen und dass Kolonialität nichts anderes als die „dunkle“ Seite des Kapitalismus ist.

Ich erinnere mich an ein Publikumsgespräch nach einer Vorführung von PALIMPSEST, in dem ein Student sagte: „Wissen Sie, die Dekolonisieriung des Museums ist ja schön und gut. Aber warum existiert noch nicht einmal ein Wort für die De-Kapitalisierung?“ In der Tat sind die tiefen Verstrickungen von Kolonialismus und Kapitalismus die sprichwörtlichen Elefanten im Raum, wohingegen der Dekolonialismus manchmal eher als Ablenkung erscheint. Die kolonialen Stoßzähne werden abgeschnitten und als Trophäe an der Wand präsentiert doch der Elefant selbst – das Kapital – bleibt unangetastet. Dekolonialismus versteht sich in solch einem Fall als störend oder subversiv, obwohl es eher eine Art des Reformismus ist. Das passiert, wenn die Dekolonisierung des Museums das Museum selbst nicht hinterfragt. Césaire sagt es so: Nicht einen einzigen Gedanken verschwenden manche Leute an die Idee, dass es alles in allem besser gewesen wäre, erst gar keine Museen gebraucht zu haben. Ich habe ein Interview mit Marguerite Duras gesehen, die 1969 gesagt hat, dass wir völlig von Neuem beginnen sollen. „On recommence tout. Le depart à zero.“ Diese Utopie der Auslöschung ist viel subversiver. Angesichts der Krise muss die Dekolonialität in Duras oder Césaires Sinne subversiv sein; nicht reformativ und somit konservativ.

Maha: Der Hinweis auf die Utopie der Auslöschung und die Tatsache, dass manche Formen nicht berichtigt werden können, bringt mich zu der Frage der Form in Deinen Filmen zurück. In einer frühen Korrespondenz zwischen Dir und Forum Expanded ging es um die Frage, ob wir uns den Film von Haesaerts anschauen sollten und Du sprachst diesbezüglich von zwei Herangehensweisen: Einerseits die Idee, dass es wichtig sei, das Orginal zu zeigen, obwohl es rassistisch ist, und andererseits die Ansicht, solch ein Film solle nicht weiterverbreitet werden. Am Anfang von ONDER HET WITTE MASKER nennst Du den Film einen „neu-Schnitt“ von Haesaerts Film. Kannst Du mehr zu diesen beiden Strategien sagen und über die Form, die Du für ONDER HET WITTE MASKER gewählt hast?

Matthias: Inzwischen nenne ich den Film einen „Coup“, eine „Sabotage“, im Sinne von Spivaks Begriff der „affirmativen Sabotage“: das Archiv von innen heraus auseinanderzubrechen. An Stelle eines neuen Voice-Overs, das den Originalfilm kommentiert und Haesaerts kolonialen Blick anklagt, entschieden wir uns, den Film vollständig zu verändern und einen neuen Film herzustellen. Anstatt die Bilder kritisch zu wiederholen und Kolonialismus in eine erbliche Krankheit zu verwandeln, veränderten wir den Film mit Hilfe eines bereits bestehenden antikolonialen Diskurses. Es gibt wirklich keinen Grund problematische Bilder zu reproduzieren und es könnte sogar gefährlich sein, zu sagen, dass man „damals so sprach“, denn das verweist Kolonialität und Rassismus in eine lange zurückliegende Vergangenheit und blendet die Tatsache aus, dass diese Art des Sprechens den Effekt hat, dass wir glauben wir hätten Fortschritte gemacht. Die grundlegende Aussage des Films ist jedoch, dass all das bereits damals gesagt worden war.

Ausgestellte Masken sprechen durch Schweigen: die Weigerung, sich an die Sprache des Kolonisators zu halten, die durch Grammatik und Syntax als Vehikel für koloniale Denkweisen dient. Wenn Schweigen also keine Option war, mussten wir sie übersetzen.

Maha: In Deinem neuen Schnitt hast Du Haesaerts Text durch einen Text von Césaire ersetzt, der auf Lingala gelesen wird. Hast Du auch die Abfolge der Bilder verändert?

Matthias: Ja, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich erfolgreich war. Ich habe nur Bilder ausgewählt, in denen man den Eindruck gewinnen kann, die Statuen blickten das Publikum direkt an. Das sind natürlich nur sehr kleine Fragmente von Haesaerts langem Film, in dem die Statuen objektifiziert und auf Distanz gehalten werden. Ich habe versucht, sie mir als sprechende Subjekte vorzustellen. Die Worte, die sie sprechen, sind die von Césaire, aber wir haben sie ins Lingala übersetzt. Es ist wahr, dass Masken, wenn sie ausgestellt werden, meist durch Schweigen sprechen: die Weigerung, sich an die Sprache des Kolonisators zu halten, die durch Grammatik und Syntax als Vehikel für koloniale Denkweisen dient. Wenn Schweigen also keine Option war, mussten wir sie übersetzen.

Maha: Dann ist da noch der Tonfall der Lesung des Textes. Der ist sehr konfrontativ.

Matthias: Das ist Maravilha Munto zu verdanken. Sie ist Slam-Poetin. Césaires Worte haben in ihr sehr viele Emotionen geweckt. Ich habe das nicht inszeniert und sicher hätte Césaire das auch niemals so gelesen. Sein Tonfall wäre ganz anders gewesen, obwohl er selbst den Text nie vorgetragen hat. Sie war sehr bewegt von dem, was sie las und konnte sich sehr leicht einfühlen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn es gibt einen zeitlichen wie auch räumlichen Graben zwischen Munto und Césaire.

Maha: Siehst Du Deinen Film in einer Reihe mit, zum Beispiel, LES STATUES MEURENT AUSSI von Chris Marker?

Matthias: Ja. Das ist auch ein Film, den Haesaerts hätte sehen können. Wahrscheinlich hat er das sogar. Nichtsdestotrotz sieht man grundlegende Unterschiede zwischen Marker und Haesaerts. LES STATUES MEURENT AUSSI beginnt mit der Frage, ob Statuen lebendig oder tot sind, mit der „musealen Botanik des Todes“, und endet mit der Möglichkeit einer Transformation der Artefakte. Nach ihrem Raub erhielten diese „Objekte der Zugehörigkeit“ im Museum eine völlig neue rituelle Funktion. Neue koloniale Bedeutungen wurden diesem Erbe zugeschrieben. Es wurde zum Objekt und diente als Werkzeug eines Instituts, dessen ideologischer Zweck die Legitimation der Besetzung war. Die Artefakte wurden getötet und zu neuem Leben erweckt, unter anderem auch durch „Ästhetisierung“ und „Dekolonisierung“. Auch ich weise diesen Gegenständen neue Bedeutungen und Funktionen zu, doch in diesem Fall mittels der Stimme Césaires, der in der Debatte einen sehr klaren Standpunkt einnimmt. Der Film von Alain Resnais und Chris Marker hat mich inspiriert, denn er zeigt, dass die Bedeutung der Statuen sich verwandeln kann.

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