Im Rahmen von Arsenal on Location präsentieren das Arsenal und die Deutsche Kinemathek gemeinsam mehrere neue Restaurierungen von Filmen der Regisseurin Claudia von Alemann. Das Arsenal stellt drei Weltpremieren vor, die Deutsche Kinemathek eine Berlinpremiere. Vor den Vorführungen sprechen Markus Ruff (Arsenal) und Elisa Jochum (Deutsche Kinemathek) über die Hintergründe der Restaurierungen. Nach den Filmen spricht Claudia von Alemann mit den den Künstlerischen Leiterinnen Stefanie Schulte Strathaus (Arsenal) und Heleen Gerritsen (Deutsche Kinemathek).
Die Veranstaltungen finden in der Akademie der Künste am Hanseatenweg statt, wo in den 1960er Jahren die ersten Filmveranstaltungen des Arsenal (damals noch unter dem Namen „Freunde der deutschen Kinemathek“) durchgeführt wurden. Claudia von Alemann ist dort seit 2019 Mitglied der Sektion Film- und Medienkunst.
Claudia von Alemann ist eine der wichtigsten Protagonistinnen des feministischen Kinos. Nachdem sie in Berlin Kunstgeschichte und Soziologie studierte, absolvierte sie von 1964-68 ein zweites Studium an der Hochschule für Gestaltung in Ulm in der Abteilung für Filmgestaltung. Bei Alexander Kluge und Edgar Reitz konnte sie ihre Filmsprache in einem Umfeld entwickeln, das in der Beschäftigung mit dem Politischen und der ästhetischen Form keinen Widerspruch sah. So lotete sie durch ihre frühe Hinwendung zum Poetischen und Surrealen die Potenziale des Kinos aus, indem sie schon damals filmische Gegenerzählungen zur Rolle der Frau vor und hinter der Kamera entwarf. Männlich geprägten Narrativen und einer linearen Geschichtsschreibung begegnet sie bis heute durch die Hinwendung zur persönlichen Erinnerung und kollektiven Erfahrung. Ihre feministische Praxis zeichnet sich durch Alltagsbeobachtungen, historische Spurensuche und genaue Recherchen aus, die ineinanderfließen und Denkräume öffnen.
Nach dem Ende ihres Studiums traf sie während eines Kurztrips nach Paris auf die Unruhen des Mai 68 und beschloss, ein Jahr zu bleiben, und sich vor Ort mit der Rolle der Kunst und des Films in der politischen Auseinandersetzung zu befassen. In dieser Zeit entstand DAS IST NUR DER ANFANG - DER KAMPF GEHT WEITER. In Algier filmte sie anschließend den Film KATHLEEN AND ELDRIDGE CLEAVER IN ALGIER (1970).
Zurück in Deutschland schloss sich von Alemann der autonomen Frauenbewegung an und gründete gemeinsam mit Mitstreiter*innen einen ersten Frankfurter »Weiberrat«. Mit dem 1. Internationalen Frauenfilmseminar, das sie zusammen mit Helke Sander in Berlin organisierte, schrieb sie Arsenalgeschichte. Das Seminar fand im November 1973 in der Schöneberger Welserstraße statt, wo das Kino von 1970-2000 beheimatet war.Dass es nicht Festival genannt wurde, hing mit der Förderung zusammen, aber es war eines der ersten Ereignisse weltweit, in dessen Rahmen Filme der Frauenbewegung in Europa und in den USA zusammengetragen, gezeigt und diskutiert wurden. Die Nachwirkungen ließen auch Folgegenerationen nicht los: Im Jahr 1997 organisierte das Arsenal gemeinsam mit Blickpilotin e.V. unter dem Programmtitel „… es kommt drauf an, sie zu verändern“ eine erste Rückschau, 2023 organisierte die Gruppe feminist elsewheres eine zweite. 2025 feierte der Film The Long Road to the Director's Chair der norwegischen Regisseurin Vibeke Løkkeberg im Berlinale Forum Premiere, der auf Material basiert, das sie als Teilnehmerin 1973 in Berlin gedreht hatte.
Neben Alemanns Film DAS IST NUR DER ANFANG – DER KAMPF GEHT WEITER war im Rahmen des Frauenfilmseminars auch ihr Film …ES KOMMT DRAUF AN, SIE ZU VERÄNDERN zu sehen, den sie 1973 unter einem Vorwand in den Adlerwerken in Frankfurt, bei Leitz-Optik in Wetzlar und einer Fabrik in Mannheim drehte, bevor sie für weitere sechs Jahre nach Paris zog. Im Anschluss an diese Zeit entstand ihr wohl bekanntester Spielfilm Die Reise nach Lyon (1981) und schließlich NEBELLAND (1982). In den folgenden Jahren realisierte sie zahlreiche weitere Werke, u.a. zur Geschichte der deutschen Frauenbewegung (Das nächste Jahrhundert wird uns gehören, 1987), zu ihrer eigenen familären Vergangenheit während der NS-Zeit (War einst ein wilder Wassermann, 2001) und Die Frau mit der Kamera – Portrait der Fotografin Abisag Tüllmann (2011). Von 1982 bis 2006 war Claudia von Alemann Professorin für Film an der Fachhochschule Dortmund. (Stefanie Schulte Strathaus)