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Wir beginnen die Retrospektive mit Stefan Schwieterts aktuellem Film HEIMATKLÄNGE (2007), der im Februar dieses Jahres im Forum der Berlinale uraufgeführt wurde. Der Film widmet sich dem ursprünglichsten aller Instrumente: der menschlichen Stimme. Im Zentrum des Films stehen drei exzeptionelle Schweizer Stimm-Artisten: Erika Stucky, Christian Zehnder und Noldi Alder, deren Klangkosmos weit über das hinausreicht, was man landläufig als Gesang bezeichnen würde. Allen gemein ist der freie, unkonventionelle Umgang mit nonverbalem Gesang. Sie machen Musik aus einem inneren Drang heraus: sie jodeln, juchzen, trällern, summen und setzen den Koörper als Resonanzraum für den spontanen Ausdruck ihrer Gefühle ein. Anhand von Aufzeichnungen ihrer Performances – Familienfilmen, Interviewpassagen und Fotos – und eingebettet in Schweizer Alp- und urbane Mittellandschaften skizziert HEIMATKLÄNGE den beeindruckenden Werdegang seiner Protagonisten. (11. 10., in Anwesenheit von Stefan Schwietert & 20.10.) Bereits in seinem 2003 entstandenen Film DAS ALPHORN hat sich Stefan Schwietert mit alpenländischer Musik beschäftigt, in diesem Fall mit dem im Titel erwähnten ur-Schweizer Musikinstrument. Schwietert zeigt "mit viel Humor, wie schwer der ideologische Ballast dem gequälten Instrument noch anhängt und wie erstaunlich vielfältig und mitreißend seine musikalischen Möglichkeiten sind. Eine 'junge' Generation von Musikern, insbesondere aus Jazz-, Rock- oder Avantgarde-Kreisen, hat sich der traditionellen Musik zugewandt. Sie haben die heimische Folklore nach eigenem Gutdünken interpretiert und damit eine Möglichkeit gefunden, sowohl bei den Wurzeln zu bleiben als auch das Archaische auszuleben." (Irene Genhard) (13. & 24.10.) Zwischen DAS ALPHORN und HEIMATKLÄNGE entstand ACCORDIAN TRIBE (2004). Auch hier liegen Tradition und Moderne, Rückbesinnung und Aufbruch musikalisch dicht beieinander. Der Film begleitet die berühmte fünfköpfige Akkordeon-Gruppe Accordian Tribe auf ihrer Europa-Tournee, zeigt Konzertmitschnitte, Tourneesequenzen und Bilder von den heimatlichen Landschaften der einzelnen Bandmitglieder. Das faszinierende Porträt der eigenwilligen Musikerpersönlichkeiten und ihrer umwerfenden Musik zeigt, wie Folklore, Improvisation und Neue Musik musikalisch verbunden werden können. "Am Ende weiß man kaum, was man mehr genossen hat: den unerhört vielschichtigen, schwelgerischen Klang der fünf Akkordeons oder die Gedankenflüge mit den Akkordeonisten." (Agathe Blaser) (12. & 21.10.) Gleiches Instrument, anderer Kulturkreis: EL ACORDÈON DEL DIABLO (2000) führt uns an die kolumbianische Karibikküste, in die Heimat des großen Sängers, Komponisten und begnadeten Akkordeon-Spielers Francisco "Pacho" Rada, der mit vier Jahren zum ersten Mal ein Akkordeon in der Hand hielt und daraufhin nie wieder losließ. Über die legendäre Lebensgeschichte des 93-Jährigen, die Gabriel Garcia Marquéz zu einer Figur in seinem Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" inspirierte, treten auch andere Musiker in den Mittelpunkt des Films, durch die die herausragende Bedeutung der Musik für ihren oftmals beschwerlichen Alltag deutlich wird. (16.10., in Anwesenheit von Stefan Schwietert, & 25.10.) In einem Doppelprogramm zeigen wir die beiden für das Schweizer Fernsehen gedrehten jeweils einstündigen Filme LIEBESLIEDER (2001) und VOYAGE ORIENTAL (2000). In LIEBESLIEDER kombiniert Schwietert zwei unterschiedliche Interpretationen der Lieder Gabriel Faurés: die Originalversionen der Lieder, gesungen von der Sopranistin Barbara Hendricks, begleitet von Peter Waters, und die Jazz-Versionen des Treya Quartetts. In Interviews berichten die Musiker von ihrer persönlichen Beziehung zum Werk des französischen Komponisten. VOYAGE ORIENTAL beschreibt die musikalische Begegnung zweier grundverschiedener musikalischer Idiome: des Jazz und der türkischen (Kunst-)Musik, deren Tonsystem sich erheblich vom europäischen unterscheidet. Grundvoraussetzung dieses Zusammentreffens von Orient und Okzident ist die gegenseitige menschliche wie künstlerische Wertschätzung der die Musikrichtungen vertretenden Musiker: Burhan Öcal und George Gruntz. (17.10.) Stefan Schwieterts zweiter Dokumentarfilm A TICKLE IN THE HEART (1996) ist die ebenso vergnügliche wie melancholische Hommage an die Epstein Brothers, die sich nach einem aufreibenden Musikerleben als Klezmer-Band in New York mit bis zu 800 Auftritten im Jahr im fortgeschrittenen Alter gemeinsam mit ihrem damaligen Publikum nach Florida, in das amerikanische Rentnerparadies, zurückgezogen haben; doch mit dem Klezmer-Revival begann auch das Revival der Epstein Brothers, die als Könige der Klezmer-Musik die Konzertsäle Amerikas und Europas eroberten. Doch die drei Brüder sind nicht nur herausragende Musiker, sondern auch Erzähler und Darsteller, die mit ihren phänomenalen Bassstimmen von ihrer polnischen Herkunft und ihrer Jugend in der New Yorker Lower East Side berichten. (18. & 26.10., in Anwesenheit von Stefan Schwietert) Der Titel von Stefan Schwieterts einstündigem Film IM WARTERAUM GOTTES (1998) spielt auf die amerikanische Bezeichnung für das Rentnerparadies Florida an und entstand parallel zu A TICKLE IN THE HEART. Florida ist die nach Israel zweitgrößte Gemeinde von Holocaust-Überlebenden. Einige von ihnen hat Stefan Schwietert zu ihrem Alltag und ihrem Umgang mit der Vergangenheit befragt. (23.10.) Unser besonderer Dank gilt Heidrun Podszus und Stefan Schwietert.

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