Mit einer Veranstaltung am 3. Februar möchten wir an Gerhard Scheonberner erinnern, der am 10. Dezember 2012 unvermutet verstarb. Gerhard Scheonberner war bis in die 90er Jahre hinein Mitglied im Auswahlkomitee des Forums und bis 2003 Vorstandsmitglied der damaligen "Freunde der Deutschen Kinemathek", heute Arsenal – Institut für Film und Videokunst und gehört zu den Pionieren der öffentlichen Auseinandersetzung mit den Verbrechen während des Nationalsozialismus. Er hatte zahlreiche Funktionen inne: Er war Leiter des Deutschen Kulturzentrums in Tel Aviv, Jurymitglied verschiedener Auswahlkommissionen der Bundesfilmförderung, Juryvorsitzender des "Kuratoriums Junger Deutscher Film", viele Jahre lang Vizepräsident des Westdeutschen P.E.N.-Zentrums, Mitinitiator und wissenschaftlicher Berater der Gedenkstätte "Topographie des Terrors", Gründungsdirektor der Gedenkstätte "Haus der Wannsee-Konferenz" in Berlin. Schoenberner ist außerdem Autor zahlreicher Bücher, Dokumentationen, Ausstellungen und Filme. Sein bekanntestes Werk ist der 1960 zuerst erschienene, in mehreren Übersetzungen veröffentlichte Dokumentationsband "Der Gelbe Stern. Die Judenverfolgung in Europa 1933-1945". Bis zu seinem Tode arbeitete er an einer erweiterten Neuauflage von "Der Gelbe Stern". 2011 veröffentlichte er einen Band mit Prosagedichten unter dem Titel "Fazit".
Im Rahmen unserer monatlichen Reihe Filmmakers' Choice präsentiert Eva Heldmann am 18. Februar Filme aus den 60er und 70er Jahren, die ihre eigene Arbeit beeinflusst haben. "ANGELIKA URBAN, VERKÄUFERIN, VERLOBT (Helma Sanders-Brahms, BRD 1969) porträtiert die Verkäuferin bei ihrer Arbeit im Kaufhof. Der Ton ist asynchron zum Bild. Dadurch werden Entfremdung und Ausbeutung hervorgehoben, denen Angelika machtlos ausgeliefert ist. JOHNNY, ODER DAS ROHE FLEISCH (Eva Heldmann, BRD 1984) ist eine tragische Liebesgeschichte zwischen einem Stück rohen Fleisch und einer nackten Frau. In GESCHICHTEN VOM KÜBELKIND (Stöckl/Reitz, BRD 1975) zwingt die Gesellschaft das Kübelkind, etwas zu lernen. Aber sie, erwachsen vom Augenblick ihrer Geburt an, lernt ungefragt mehr. Die ausgewählten Filme sind ästhetische Experimente der 60er und 70er Jahre, die sich mit Kapitalismus- und Genderkritik auseinandersetzen. In der (Nach-)Folge entsteht mein erster 16-mm-Film JOHNNY … " (Eva Heldmann)
bauhaus & film: Schule des Sehens
Die Meinung, dass es keine Bauhaus-Filme gibt, ist weitverbreitet. Doch spielte der Film in der Programmatik des Bauhauses eine beachtliche Rolle. Das von Walter Gropius geprägte Lehrkonzept zielte darauf ab, eine "Wissenschaft des Sehens" zu vermitteln. Auch wenn es niemals gelang, die von László Moholy-Nagy erstrebte "Versuchsstelle für Filmkunst" einzurichten, produzierten Lehrer und Schüler eine Vielzahl von Filmarbeiten. Sie reichen von reformerischen Architekturfilmen über abstrakte Filme bis hin zu sozialkritischen Reportagen. Am 31. Januar stellt Thomas Tode die von ihm herausgegebene gerade erschienene Ausgabe der Zeitschrift Maske und Kothurn zum Thema "bauhaus & film" vor, in der auch intermediale Arbeiten behandelt werden, wie z.B. Einspielfilme im Theater, Lichtprojektionen und Kinoarchitektur. Dazu zeigt er Filme von Gropius, Moholy-Nagy, Ella Bergmann-Michel, Ludwig Hirschfeld-Mack, Kurt Schwerdtfeger, Werner Graeff, Heinrich Brocksieper und Kurt Kranz.
8. Forum Expanded komplett
Die diesjährige Gruppenausstellung von Forum Expanded, "Waves vs. Particles", findet an einem neuen, ungewöhnlichen Ort statt: im silent green kulturquartier, dem ehemaligen Krematorium Wedding. Ein ruhiger Raum, der die Wahrnehmung fokussiert und zu Projektionen im doppelten Sinne einlädt. Weitere Ausstellungen und Installationen gibt es im Marshall McLuhan Salon der Botschaft von Kanada, in der Blackbox des Arsenal, im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart sowie im Liquidrom.
Darüberhinaus gibt es im HAU Hebbel am Ufer, im Kunstgewerbemuseum und im Arsenal täglich Gelegenheit zum Gespräch über neue Formen filmischer Wissensproduktion und Wahrnehmungsweisen. In einer Zeit, die durch Instabilität geprägt ist, hat sich zwischen Kino und Kunst etwas verselbstständigt, was noch immer namenlos ist. So präsentiert auch das 8. Forum Expanded Arbeiten, die überraschen, weil sie überzeugen, ohne sich zuordnen zu lassen. Das Abschlusspanel widmet sich in Zusammenarbeit mit der Medienboard Berlin-Brandenburg der Frage, wie jene offenen Formen unterstützt und gefördert werden können.
Special Screenings 43. Forum
Auch in diesem Jahr wird das Programm um filmhistorische Wiederentdeckungen ergänzt, darunter der älteste erhaltene koreanische Stummfilm CHEONGCHUN-EUI SIPJARO, der im Delphi mit Kinoerzähler, Sängern und Orchester aufgeführt wird, sowie eine Reihe von Filmen des japanischen Regisseurs Keisuke Kinoshita.
Die Filme von Larissa Schepitko
Larissa Schepitko ist eine große Unbekannte des sowjetischen Kinos der 60er und 70er Jahre. 1938 in der Ukraine geboren, ging sie als junge Frau zum Studium an die Moskauer Filmhochschule WGIK. Dort studierte sie in der Regieklasse von Alexander Dowshenko, dessen visionäre Filmsprache und dessen Einstellung zum Leben und zur Kunst sie tief prägte. Der unbedingte Wille zur Wahrhaftigkeit und ein kompromissloses Einstehen für die Kunst wurden zum Credo ihrer Arbeit. Existenzielle Fragen und die Haltung des Menschen im Zwiespalt zwischen eigenen Wünschen und übergeordneten Werten bilden das Zentrum ihrer Filme. Dabei erschuf sie eine Bildsprache, die mit eindringlichen Bildern innere Welten zu evozieren vermochte. Schepitko gehörte zu den zentralen Protagonisten der Tauwetter-Epoche, die nach Stalins Tod 1953 für eine kulturpolitische Aufbruchstimmung sorgte und den staatlich verordneten Formalismus mit individuellen Ausdrucksweisen ablöste. Die relative Freiheit der Chruschtschow-Ära endete aber schon 1967/68. Bis dahin hatte Schepitko neben ihrem 1963 entstandenen Abschlussfilm SNOJ im Jahr 1966 KRYLJA gedreht und 1967 zum 50-jährigen Jubiläum der Oktoberrevolution an einem Episodenfilm mitgewirkt. Dieser wurde zwar fertig gestellt, durfte aber nicht gezeigt werden und wurde erst 20 Jahre später uraufgeführt. 1977 schaffte sie mit dem Goldenen Bären für ihren vierten Film WOSCHOSCHDENIE ihren endgültigen internationalen Durchbruch. Die "Unvollendete" wird Larissa Schepitko gern genannt – 1979 starb sie im Alter von 40 Jahren während der Vorbereitungen zu ihrem fünften langen Film bei einem Autounfall, der auch vier weitere Mitglieder ihres Teams das Leben kostete. Ihr Ehemann, der Regisseur Elem Klimow, stellte ABSCHIED VON MATJORA schließlich 1983 fertig.
Öffentliche Sichtung – Filme des Newsreel Collective
Neu im Verleih: Das schlafende Mädchen
DAS SCHLAFENDE MÄDCHEN (D 2011) von Rainer Kirberg. Düsseldorf, frühe 1970er Jahre. Der introvertierte Beuys-Schüler Hans (Jakob Diehl) lernt Ruth (Natalie Krane) kennen, eine jugendliche Streunerin, die in einem Stadtpark lebt. Fasziniert von ihr, macht er Ruth zum Motiv seiner Videoarbeit. Ruth wächst schnell in die Künstlerszene um Hans hinein, sie nimmt einen Job als Aktmodell an der Akademie an. Doch Hans misstraut ihrem neuen Leben, er argwöhnt, dass Ruth mit der Wandlung zum "Glamourgirl" nur vor sich selbst flieht. Eifersüchtig auf seinen besten Freund Philipp (Christoph Bach), sperrt er Ruth im Atelier ein, um – wie er glaubt – im Reagenzglas der Kunst ihr Geheimnis zu erforschen. Mit diesem Experiment geraten ihm Kunst und Leben unauflösbar durcheinander. Im Stil eines selbstreflexiven Videoexperiments, aber mit dramatischen Mitteln des narrativen Kinos, lässt DAS SCHLAFENDE MÄDCHEN eine Zeit lebendig werden, in der die ersten portablen Videosysteme unter Künstlern populär wurden und sich parallel zur aufkommenden Videokultur eine wichtige Epoche der Performance-Kunst ausformte.
Vaginal Davis läutet das neue Jahr am 27. Januar mit Jim Jarmuschs Erstlingswerk PERMANENT VACATION (USA 1980) ein. Zum knarzenden Soundtrack, einer Mischung aus japanischer Gamelan-Musik und John Luries Jazz-Improvisationen, lässt sich der jugendliche Protagonist Allie durch die Lower East Side Manhattans treiben. Auf seiner Sinnsuche durch heruntergekommene, leerstehende Wohnblocks und Industriebauten trifft der Charlie-Parker-Fan auf einen Querschnitt an Downtown-Hipstern: Saxophonspieler, Gauner, Erleuchtete, Poeten. Eine melancholische "Odyssey of Cool". In ihrer monatlichen Serie präsentiert Vaginal Davis musikalische Perlen aus dem Archiv des Arsenal, stets gefolgt von Drinks und Musik.
Magical History Tour im Januar: Land in Sicht - Landschaften im Film
Landschaften sind aus Filmen nicht wegzudenken. So vielgestaltig die Szenerien, so umfassend und divers das Potential dieser Topografien und ihrer Funktionen: Landschaften im Film erzählen Geschichten, veräußerlichen Stimmungen, übernehmen die Hauptrolle oder den Widerpart, werden zu Seelenlandschaften oder Sehnsuchtsorten – sie sind symbolreiche Folie, statisch-ruhend im oft rasanten Fluss der Handlung. Landschaften im Film sind das "freieste Element des Films, das flexibelste, um Stimmungen, Gefühle und spirituelle Erfahrungen zu vermitteln." (Sergej Eisenstein) Seit Anbeginn der Kinematografie hat der Film von diesem wandelbaren Vermittlungselement ausgiebig Gebrauch gemacht: Frühe Landschaftsaufnahmen exotisch-fremder Gegenden wie auch heimatlicher Gefilde mündeten bald in landschaftsintensive Genrefilme. Doch auch jenseits der Genres eröffnet sich im Dokumentar-, Spiel- und Experimentalfilm ein weit verästeltes Panorama der Landschaften, ihrer Darstellung, Konstruktion und Infragestellung, das wir mit elf Filmen im Januar beleuchten möchten.
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Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.