AUSENTE von Marco Berger ist ab dem 12. Januar in ausgewählten Kinos zu sehen. Der Film, der im letztjährigen Forum uraufgeführt und mit dem TEDDY für den besten Spielfilm ausgezeichnet wurde, erzählt vom Missbrauch eines Erwachsenen durch einen Minderjährigen, der um die heikle Position seines Lehrers weiß und sie ausnutzt. Unter allerlei Vorwänden schleicht sich Martin in die Privatsphäre seines Sportlehrers Sebastian ein und verbringt eine Nacht in dessen Wohnung. Als der Lehrer die Intentionen seines Schülers erkennt, hat dieser ihn bereits kompromittiert. Es bedarf eines tragischen Unfalls, damit Sebastian sich seiner eigenen Zuneigung zu Martin bewusst wird. Marco Bergers origineller Spielfilm erzählt vor allem mit den Blicken, die seine Protagonisten austauschen. Dem herausfordernden Blick Martins, konterkariert durch eine entschuldigende Körpersprache, die allerdings nicht verbergen kann, dass er Tabus zu verletzen, sich Territorien anzueignen sucht. Dem ausweichenden, ängstlichen Blick Sebastians, der nicht wahrhaben will, welches Spiel mit ihm getrieben wird.
In einer neuen Reihe präsentieren FilmemacherInnen, deren Arbeiten wir verleihen, alte und neue Filme von KollegInnen. Am 9. Januar setzt Karø Goldt diese Reihe mit Filmen fort, die dem Hören gewidmet sind. Stumme Filme wie BARN RUSHES von Larry Gottheim, TAILS von Paul Sharits, welche durch ihre Bildsprache Ton suggerieren sowie EAUX D'ARTIFICE von Kenneth Anger und ALL MY LIFE von Bruce Baillie, welche die Musik zeigen. Das besondere hierbei ist die hörbare Aufmerksamkeit des Publikums durch die Stille im Kino, wenn ein tonloser Film gezeigt wird. Zu Klassikern der 16 mm-Filmkunst zeigt Goldt eigene Videos. "Some benefits of listening are presented: as are side effects, which reflect qualities often thought of as being among the most desirable human qualities … If we want to participate, to be connected, we must learn as a priority to listen once again. We need to rediscover The Lost Art of Listening". (R. Glanville)
Kinostart: "Utopians"
Mit UTOPIANS von Zbigniew Bzymek bringt arsenal distribution ab dem 5. Januar einen weiteren Film aus dem Forum 2011 in die Kinos. Er erzählt von drei Menschen, die sich am Rand bewegen, der Gesellschaft, der Beherrschung der Kräfte, des Zusammenbruchs. Roger arbeitet als Yoga-Lehrer. Das Verhältnis zu seiner frisch aus dem Militärdienst ausgeschiedenen Tochter Zoe wird durch deren Liebe zu Maya belastet, einer jungen Frau, der Schizophrenie attestiert wurde. Rogers wiederholtes Zuspätkommen und ein mitgebrachter herrenloser Hund sorgen für Spannungen mit den Teilnehmern seiner Yoga-Klasse. Auch ein Renovierungsauftrag, den Roger, Zoe und Maya in einem bürgerlichen Haus übernehmen, verläuft alles andere als plangemäß und spannungsfrei. Die von Roger problematisierten unterschiedlichen Realitäten, für die Mayas Schizophrenie metaphorisch steht, holen ihn in der Yoga-Klasse ein, wenn sein Glaube "we can make our own time" ebenso schnell an seine Grenzen stößt, wie das "feel united with the world around you" mit der sozialen Realität kollidiert. Fernab vom Sozialdrama hat Zbigniew Bzymek in seinem Spielfilmdebüt eine Form gefunden: Entdramatisiert und nicht linear bildet sich aus teils durch Schwarzblenden separierte Szenen die Skizze einer Geschichte. Mit einer eigentümlich schwebenden Atmosphäre und einer der nachhaltigsten Gitarrenimprovisationen seit "Dead Man".
Retrospektive Andrzej Wajda
Mit der umfassenden Retrospektive eines der bedeutendsten Filmschaffenden Europas, des polnischen Regisseurs Andrzej Wajda, beschließen wir das Programm dieses Jahres. Sein Œuvre umfasst bislang knapp 40 Filme: Großangelegte Tableaus historischer Krisen stehen neben autobiografisch gefärbten Betrachtungen jüngerer Geschichte, stillere, kammerspielartige Reflexionen neben scharfen, zeitgenössischen Bestandsaufnahmen. An diesen historischen oder gesellschaftlichen Kristallisationspunkten siedelt Wajda seine Protagonisten an, tragische und zerrissene Helden, die nicht selten an den Determinanten der Geschichte scheitern; einer Geschichte, die Wajda im stetigen Fluss, mit sich kontinuierlich überlagernden Zeitläufen darstellt, die er in seinen Filmen hinterfragt und neu bewertet. Seine filmischen Aufarbeitungen der zumeist polnischen Geschichte oder Gegenwart haben im In- und Ausland immer wieder Debatten angestoßen und den Blick auf Polen geprägt – viele von ihnen waren "Augenöffner" (P. W. Jansen), nicht zuletzt auch aufgrund ihrer künstlerischen Form, ihrer großen Sensibilität für Farben, Bilder, Töne und Rhythmen. Filme wie Wajdas ASCHE UND DIAMANT (1958), DIE HOCHZEIT (1973), DER MANN AUS MARMOR (1976) oder DER MANN AUS EISEN (1981), um nur einige zu nennen, haben Filmgeschichte geschrieben, seine frühen Werke Strömungen begründet. Es sind Schlüsselfilme ihrer Zeit, deren politische Brisanz und formale Intensität sich auch heute noch abbilden. Umso mehr überraschen die Leerstellen in der Rezeption einiger seiner Filme in Deutschland. So liegt das Augenmerk der Retrospektive auch darauf, den noch "unbekannten" Wajda vorzustellen, Filme zu präsentieren, die in Deutschland selten, lange nicht mehr oder noch nie zu sehen waren, wie z. B. ROLLKUCHEN (1968), FLIEGENJAGD (1969), LANDSCHAFT NACH DER SCHLACHT (1970), DANTON (1982), NASTASJA (1994) oder TATARAK (2009).
Andrzej Wajda Master School of Film Directing
Anlässlich der Andrzej-Wajda-Retrospektive präsentieren wir Kurzfilme der renommierten Andrzej Wajda Master School of Film Directing, die 2001 in Warschau von Andrzej Wajda, Wojciech Marczewski und der Filmproduzentin Barbara Pec-Slesicka gegründet wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, junge Filmkünstler bei der Realisierung ihrer Projekte zu unterstützen.
Magical History Tour – Filmmusik und Musikfilm
Welche Bedeutung und Funktion hat Musik im Film, wie verhält sich das Bild zur Musik und wie die Musik zum Film? Diesen Fragen wollen wir diesen Monat in der Magical History Tour nachgehen. Über eine bloße Untermalung der Handlung geht Filmmusik weit hinaus. Sie kann Atmosphäre und Irritationen erschaffen und verstärken, Hinweise geben und Akzente setzen, den Zuschauer in den Erzählraum einbinden oder ihn auch überwältigen. Wir spannen einen Bogen von der klassischen Filmmusik – wobei die Filmmusik Hollywoods und Hanns Eislers Arbeiten für den Film als zwei gegenüberliegende Pole gesehen werden können – über Beispiele innovativer Filmmusik bis zur Inszenierung von Musik im Film. Von den Konzertfilmen STOP MAKING SENSE über die Band Talking Heads und BETWEEN THE DEVIL AND THE WIDE BLUE SEA über die elektronische Musik-Szene bis zu A HARD DAY'S NIGHT, der das Phänomen der Beatlemania ironisch auf die Schippe nimmt – Popmusik und Film pflegen seither enge Verbindungen.
Neu im Verleih: DAY IS DONE
DAY IS DONE (Thomas Imbach, Schweiz 2011) ist eine fiktive Autobiografie des Regisseurs. Zuerst der qualmende Schlot, mit dem Teleobjektiv in nächste Nähe gerückt. Dann die Züge, die Wolken und die Vogelschwärme, das Stadtpanorama im Weitwinkel. Flugzeuge. Zeitraffer, Zeitlupe. Später schwarze Regenwolken, Sonne, Schnee, Mondschein. Die Straße vor dem Haus: Lagerhallen, vor denen Schrott sortiert wird, Wein geliefert, eine Party gefeiert. Brennende Autos, ein schwerer Motorradunfall. Eine junge Frau, die tagein tagaus ihre Post abholt und die NZZ. Den Beobachter scheint sie nicht zu bemerken über all die Jahre, die er mit seiner Kamera am Fenster steht und das Leben aufzeichnet, das sich vor seinem Atelier ausbreitet.
Living Archive
Auch in diesem Monat findet eine öffentliche Archivsichtung bei freiem Eintritt statt. TeilnehmerInnen des Projekts "Living Archive" sichten gemeinsam mit dem Publikum Unbekanntes und Vergessenes. Das Programm wird kurzfristig bekanntgegeben. (13.12.)
Ulrike Ottinger
Auch im Dezember ist Ulrike Ottinger im Berliner Kulturleben sehr präsent. Im Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) wird anlässlich der Verleihung des Hannah-Höch-Preises an Ulrike Ottinger das unbekannte und bisher nicht gezeigte malerische Frühwerk (1963–68) Ottingers ausgestellt (26.11.–22.1.). Das Arsenal lädt noch bis Februar in 14 Filmveranstaltungen mit Gesprächen und Einführungen dazu ein, das filmische Œuvre von Ulrike Ottinger zu entdecken. Das Programm spiegelt und kommentiert Ulrike Ottingers Bewegtbild-Welten zwischen Opulenz und Stilisierung, Variationen des Theatralen und Ethnografischen, Kulturgeschichte und Science-Fiction, Reflexion und Reise.
Klassiker nicht nur für Kinder
Passend zum Thema der Magical History Tour dieses Monats über Musik im Film zeigen wir drei Filme mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt, in denen Musik und Musiker eine Hauptrolle spielen.
Gefördert durch:
Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds
Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.