THOMAS HARLAN / WANDERSPLITTER - Berliner Premiere
"Hitler hätte mich hier sehen können." – Thomas Harlan, Naziverfolger, Autor und Filmemacher, sitzt in seinem Zimmer in einem Sanatorium, der Kamera zugewandt. Er spricht, denkt nach, bricht ab, spricht weiter. Das Zimmer ist seine Bühne. Der Zuschauer wird zum Zuhörer. THOMAS HARLAN / wandersplitter (D 2006) von Christoph Hübner und Gabriele Voss bietet einem sprachmächtigen Erzähler Raum, der weniger als Zeitzeuge im Sinne der "oral history" fungiert, als vielmehr aktiv dichtet und verdichtet. Seine sprachgewaltigen Erzählungen handeln unter anderem von der Begegnung mit Hitler als Kind, von der stillschweigenden Rehabilitierung von Kriegsverbrechern in den 50er Jahren, von "Sprache als Kathedrale", angezündeten Kinos und vom ambivalenten Verhältnis zu seinem Vater, dem Jud-Süß-Regisseur Veit Harlan. THOMAS HARLAN / wandersplitter ist nicht nur ein Porträt, sondern auch ein Film über die Macht der Rede, der erlebbar macht, wie Erinnerung funktioniert: diskontinuierlich, mit Unterbrechungen, Auslassungen und mitunter auch fiktionalen Hinzufügungen. Wir freuen uns, zur Berliner Premiere des Films am 4. September Christoph Hübner zur Diskussion begrüßen zu dürfen. Auch Jean-Pierre Stephan, Autor der soeben im Eichborn Verlag erschienenen Harlan-Biografie, ist zu Gast. (4.9.)
ALS LANDWIRT - Berliner Premiere
Wir freuen uns, die Berliner Premiere des neuen Films von Stefan Hayn & Anja-Christin Remmert mit anschließender Diskussion im Arsenal zu präsentieren. "Ausgangspunkt für den Film ALS LANDWIRT war die zufällige Begegnung mit Klaus Geißendörfer und seiner Familie sowie die Wiederbegegnung mit der Landschaft und dem Dialekt aus DAS FESTSPIEL (1996). Worum geht's? Um Landwirtschaft, konventionelle Landwirtschaft, um Fragen zur Arbeit, um die Jahreszeiten, um diese jetzige Zeit der Restauration aus einer anderen, nicht städtischen Perspektive, die als rückwärtsgewandte seit langem verschrien ist und die der Film so bewusst, so distanziert, so solidarisch und so regional-konkret wie möglich einnimmt. Nach einem Großbrand in Burgstall im Juli 2003 standen die Geißendörfers vor der Frage: Aufhören oder risikoreich vergrößern? Wir haben bei der Eröffnung ihres neuen Stalls im September 2005 begonnen zu drehen und sind dann über ein Jahr viermal wiedergekommen." (Stefan Hayn & Anja-Christin Remmert.) (30.9. mit anschl. Diskussion, Vorfilm: DAS FESTSPIEL, 1996)
32
1932, vor genau 75 Jahren am 25. September kam er in Toronto zur Welt, vor 25 Jahren (am 4. Oktober 1982) verstarb er dort: Glenn Gould, der 1955 die noch heute als Idealversion anerkannten Interpretation der 32 Goldberg-Variationen aufnahm und damit zu einem der führenden Pianisten der Musikgeschichte wurde. Die Variationen dienten dem kanadischen Regisseur François Girard als Vorbild zu seinem Film THIRTY-TWO SHORT FILMS ABOUT GLENN GOULD (1993). In 32 Episoden setzt er sich mit den vielfältigen Facetten Glenn Goulds auseinander, ohne dabei den ausgetretenen Pfaden konventioneller Künstlerdokumentationen zu folgen. Dem Zuschauer erschließt sich Gould nicht nur als Künstler und Musiktheoretiker, sondern auch als Financier, Humorist, Gestalter ungewöhnlicher Radiosendungen, Naturliebhaber, Häretiker und als wohl berühmtester Telefonierer der Zeitgeschichte. (24., 26. & 30.9.)
Filmdokument
Während des Ersten Weltkriegs gedrehte dokumentarische Aufnahmen zeigen so gut wie nie das Kriegsgeschehen. Diese "Kriegsfilme" entstanden in der Regel weit hinter der Front oder bei Manövern. Trotzdem sind sie auch heute noch in der Lage, uns die Schrecken des Krieges vor Augen zu führen. Das Programm versammelt seltene Wochenschauen, Propagandafilme und Kriegsberichte, die in Farbe überliefert sind. Heute sind jene Aufnahmen interpretationsbedürftig. Diese viragierten und kolorierten Filme wollen dem dokumentarischen Material keinen realistischen Mehrwert hinzufügen. Vielmehr verstärken sie ihren Stimmungsgehalt: hier bedrohlich, wo die Kino-Kriegsschau brennende Petroleumlager zeigt, dort beruhigend, wenn eine Fliegerfahrt vom Bodensee zur Zugspitze Luftaufnahmen friedlicher Landschaften vorzeigt. Monochrom eingefärbte Filme wie eine Eiko-Wochenschau über die Heimkehr des Handels-U-Boots "Deutschland" in Bremen verleihen den Bildern eine größere Tiefenwirkung. Häufig erfolgt die Virage der Filme aber wahl- und gedankenlos, etwa wenn die Erprobung neuer Feld-Sanitäts-Autos rot eingefärbt wird. Weitere viragierte Sujets des Programms: In Nürnberg lernen Kriegsinvaliden mit Hilfe von Prothesen wieder arbeiten, eine Huldigung an Generalfeldmarschall von Hindenburg zu seinem 70. Geburtstag, ein propagandistischer Trickfilm mit antibritischer Hetze sowie die letzte deutsche Offensive an der Westfront, die Schlacht zwischen Aisne und Marne von Ende Mai 1918.
Eine Veranstaltung von CineGraph Babelsberg mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv. Einführung: Jean-Paul Goergen. (28.9.)
Sieben Forums-Filme beim Asian Women's Film Festival
Das Asian Women's Film Festival (19.-23. September 2007 im Kino Arsenal in Berlin) präsentiert jüngere Arbeiten von Filmemacherinnen aus acht asiatischen Ländern. Im Programm finden sich gleich sieben Forums-Beiträge der letzten Jahre, unter anderem Faces of a Fig Tree, das Regiedebüt von Momoi Kaori.
Japanischer Filmclub
"Ich suche nicht die Zustimmung eines anonymen Massenpublikums", so Masashi Yamamoto über seinen Film ROBINSON NO NIWA (Robinsons Garten, Japan 1986/87) in einer manifestartigen Erklärung zu seinem und zum unabhängigen Film der 80er Jahre in Japan. "Was wir brauchen, sind radikale, nicht preisgekrönte Inhalte und aggressive Ehrlichkeit." In ROBINSON NO NIWA geht es um – Pflanzen. Pflanzen in der Stadt. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Kumi, die aus einem Apartmenthaus in eine Ruine zieht, und ihre Freunde Maki und Kie, die sich entschließen, die Stadt zu verlassen und sich auf die Insel Ko-musei im Südosten Asiens zurückzuziehen. Vor diesem Hintergrund zeigt der Film, gestaltet als visuelles Poem, die Macht der Pflanzen, die eine Ruine überwuchern und sogar den Umweltgiften moderner Städte widerstehen. (24.9.)
arsenal emotional - F wie farbenfroh
SUBWAY RIDERS von Amos Poe (USA 1981, Forum 1982) ist ein farbiges Sound-Poem über New York City. Die Figur eines psychopathischen Saxophonisten choreografiert das melodramatische Gefüge, in dem jeder Person eine eigene Farbe zuteil wurde. In hochstilisierten Bildern geht es um Ortsfremdheit und Zusammenhangslosigkeit. Eine ambivalente Stimmung von Verzweiflung, Angst vor der Stadt und Dekadenz vermischt sich mit einem komplizierten Thriller, in dem sechs anonyme Gestalten – ein wahnsinniger Schriftsteller, der sich mit dem Musiker identifiziert, ein Polizist, ein Junkie, eine Prostituierte und eine Hellseherin – in Zyklen von Obsession, Frustration und wieder Obsession verfangen sind. (1., 3. & 5.9.)
Written on the Wind: Gruppenbild mit RWF (4)
In diesem Monat beenden wir unsere Reihe "Written on the Wind: Gruppenbild mit RWF" und freuen uns, abschließend BERLIN ALEXANDERPLATZ zur Aufführung zu bringen. In diesem 13-teiligen Fernsehprojekt versammeln sich vor und hinter der Kamera eine Vielzahl von Personen aus dem Lebens- und Arbeitsumfeld von Rainer Werner Fassbinder, die sein Werk mitgestaltet und mitgetragen haben. Über vier Monate hinweg haben wir versucht, möglichst viele von ihnen jeweils ausgehend von einem seiner Filme mit einem weiteren Film vorzustellen, der nicht von Fassbinder stammt. Dadurch ließ sich nicht nur die Retrospektive eines nach seinem 25. Todestag noch immer nachhaltig einflussreichen Regisseurs strukturieren. Gleichzeitig ist aus einem Beziehungsgeflecht heraus eine umfassende Landkarte des deutschen Kinos der späten 60er bis frühen 80er Jahre entstanden.
Mit IN EINEM JAHR MIT DREIZEHN MONDEN (1978) setzen wir die Reihe fort. Der Titel bezieht sich auf einen obskuren astrologischen Glauben, demnach extrem sensible und dafür empfängliche Menschen in einem Jahr mit dreizehn Vollmonden persönliche Katastrophen anziehen. Der Film erzählt die Geschichte des transsexuellen Erwin/Elvira in Frankfurt, der sein Geschlecht aus Liebe zu einem anderen Mann, einem der mächtigsten Bordellbesitzer der Stadt, wechselte. Während seiner letzten Lebenstage irrt er durch die Stadt: "Fünf Tage lang folgt er (Fassbinder) seinem Hauptdarsteller Volker Spengler durch die Hölle menschlicher Existenz, zeigt die Main-Metropole Frankfurt als einen Ort totaler Beklemmung, als einen Ort, an dem nur noch Verrückte und Perverse herumlaufen." (Süddeutsche Zeitung) (1. & 2.7.)
sun screens - Präsentiert von arsenal experimental
Wir freuen uns, in diesem Sommer einige der jüngsten arsenal-experimental-Erfolge, verbunden mit Gesprächsrunden mit Künstlern und Filmemachern, präsentieren zu können. Ein Teil der Beiträge war in diesem Jahr im Rahmen von Forum expanded während der Berlinale zu sehen, zwei Kurzfilmprogramme wurden für die Market-Screenings bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen kuratiert. Eröffnet werden die "sun screens" mit einem besonderen Gast: Der Avantgarde-Filmemacherin Yvonne Rainer, die, vom Tanz kommend, diesen Hintergrund mit den politischen und diskursiven Potenzialen des Kinos verbunden und dadurch die Sprache des Films neu dekliniert hat. Im Anschluss an die Documenta und vor ihren Auftritten bei "Tanz im August" zeigt sie im Arsenal zwei Videos aus dem Jahr 2002, die noch nicht in Berlin zu sehen waren. Wir nehmen dies zum Anlass, ihre Filme, die schon länger in unserem Verleih sind und nun auch im Rahmen von arsenal experimental angeboten werden, in einer Werkschau vorzustellen und so einmal mehr die Geschichte des Avantgarde-Kinos mit der Gegenwartskunst in Verbindung zu bringen.
Maple Movies on Tour
Zum 3. Mal schickt die Kinemathek Hamburg kanadische Spielfilme durch deutschsprachige Städte. Das Spektrum umfasst das Spannungsfeld zwischen europäischem Autorenfilm und Hollywood. Das Programm zeichnet sich dadurch aus, dass es ausgehend vom Blick auf das zeitgenössische Kino Referenzen zur Geschichte des franko- und anglo-kanadischen Kinos herstellt. So wie die Filme der Maple Movies auf die äußere Realität des heutigen Kanadas verweisen, so zeichnen sie auch eine verzweigte mentale Karte der verschiedenen Innenwelten, die das Selbstverständnis des kanadischen Kinos prägen.
Wir beginnen am 6.7. mit dem Film, der 2006 das Toronto International Film Festival eröffnete: THE JOURNALS OF KNUD RASMUSSEN (Norman Cohn, Zacharias Kunuk) beeindruckt durch eine ganz eigene Filmsprache, die noch weiter jenseits der Kategorien Realismus und Fiktion liegt, als wir es bislang kannten. Alltagsgeschichten werden zu einer fragmentierten und gleichzeitig im Fluss befindlichen ästhetischen Erfahrung. Anfang der 20er Jahre lebt der Schamane Avva mit Familie außerhalb seiner Heimatgemeinde Iglulik, die den Lehren christlicher Missionare folgt. Der Däne Knud Rasmussen sucht Avva mit zwei Wissenschaftlern auf, um dessen Lebensgeschichte aufzuzeichnen. Nach einer Feier reist er nach Westen, während die Familie Richtung Heimat aufbricht. Doch Apak, die Tochter Avvas, hat verstörende Träume über die anstehende Reise. Basierend auf Erlebnissen inszenierte das Team des Kinoerfolgs ATANARJUAT – THE FAST RUNNER (2000) (12.7.) erneut eine eindrucksvolle Geschichte über das Leben der Inuit. (6. & 9.7.)
Gefördert durch:
Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds
Die internationalen Programme von Arsenal on Location sind eine Kooperation mit dem Goethe-Institut.