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Forum expanded Talk and Show:
Episode 1: Sense of Architecture
07.02.  12:00 - 16:00 Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart (Für das Filmscreening Tickets erforderlich)

Download Katalogseiten (PDF)

Der Film Sense of Architecture zeigt 42 zeitgenössische architektonische Projekte österreichischen Ursprungs. Er ging als eigenständige Arbeit aus dem Material für 57 Kurzfilme hervor, die Heinz Emigholz 2005 und 2006 für die in Graz konzipierte, internationale Wanderausstellung Sense of Architecture hergestellt hat.

Im Gegensatz zur Ausstellung, die die dort beteiligten Architekturen thematisch gruppiert, montiert der neue Film die Projekte zu einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, in der für alle Bereiche des Lebens moderne Bauten errichtet worden sind.

Der Film beginnt mit einem Glockenturm in den Seetaleralpen und einer Baustelle und führt dann von Station zu Station eines fiktiven Lebens: durch einen Kindergarten, ein Einfamilienhaus, einen botanischen Garten, ein Billighaus, eine Apotheke, eine Wohnsiedlung, ein Museum für Kinder, ein Wohnhaus mit Werkstatt, ein Dialektinstitut, ein Kunsthaus, ein Bürogebäude, eine Schule, einen Schuhladen, einen Wohnblock, eine Stadthalle, ein Gemeindezentrum, ein Arztzentrum, über eine Fußgängerbrücke, in einen Raum zum Studieren, einen Flughafenturm, einen Kirchenumbau, ein Gemeindezentrum, eine Landesausstellung, eine Siedlung, eine Bezirkshauptmannschaft, ein saniertes Schloss, eine Villa, ein Restaurant, eine Halle, einen Anbau, ein Justizzentrum, ein Gefängnis, ein Kloster, ein Kunsthaus, ein Krankenhaus, ein Ferienhaus, ein Schloß, ein Museum, ein Steinhaus, ein Altersheim, ein Krematorium und auf einen Urnenhain.

Eine Fläche, auf der sich denken lässt

Was interessiert Dich, als von der Zeichnung, vom experimentellen Film kommend, an der Architektur, am Architekturfilm?

Mich interessiert die Fähigkeit oder Unfähigkeit der Architektur, Räume in Relation zum menschlichen Körper und Geist zu entwerfen und hinzustellen. "Raum" habe ich schon immer als heikel wahrgenommen. Den inneren Raum des eigenen Körpers und den äußeren, in dem ich mich bewegen kann oder muss. Ob es nun künstliche oder natürliche Räume sind, spielt dabei erst einmal keine Rolle, die ganze Relation steht bei mir auf der Kippe. Es hat fast vierzig Jahre gedauert, bis ich darin so etwas wie eine Balance gefunden hatte. Dabei haben mir wahrscheinlich meine Filme geholfen. Im Sinne von Wurfankern, nicht im Sinne medialer Kategorien oder Genres.

Gibt es für Dich eine formale Nähe zwischen gebautem Raum und filmischem Raum?

Es sind Produkte zweier fast entgegengesetzter Gestaltungsvorgänge. Die Architektur projiziert einen Raumentwurf in die Realität hinein und errichtet ihn dort als dreidimensionale Situation. Der Film nimmt nun diesen Raum und übersetzt ihn durch Kameraarbeit in zweidimensionale Bilder, die uns in einer zeitlichen Anordnung vorgeführt werden. Das ist ein Entwurfsprozess mit den Einschreibungen des Realen. Diese Wiederholung – von der Idee zum realen Raum und über die Bildfläche wieder zurück zum Gedankenraum – ist bemerkenswert. Aber, wie jeder weiß und Kierkegaard herausgefunden hat, gibt es ja keine "Wiederholungen". Es entsteht vielmehr etwas Neues: eine Fläche, auf der sich denken lässt. Das Kino stellt eine zweite physische Präsenz her, in der sich ein aktiver Zuschauer die Geschichte neu zusammensetzen kann. Die Fähigkeit zu verstehen, schrieb Konstantin Kavafis so schön, wird durch Moden verdorben. Meine Filme sind für das Verstehen.

Stellt sich bei einer Auftragsarbeit wie die der Dokumentation der Gegenwartsarchitektur aus der Steiermark nicht das Problem einer "Anerkennung des Objekts"?

Die Werke der Architekten, die ich in meiner Serie Architektur als Autobiographie gefilmt habe, haben viel mit dieser Gegenwartsarchitektur zu tun. Viele der damaligen Raumvorstellungen, Bauaufgaben und Lösungen laufen auf diese zeitgenössische Praxis zu. Es gab also Gründe, warum ich gefragt wurde. Sie leiteten sich aus der Kenntnis meiner filmischen Arbeit ab. Die kuratorische Entscheidung, alle Filme und Fotografien für die Ausstellung neu zu produzieren, ist Neuland und so selten, dass sie den Ausschlag für meine Entscheidung gab. Gewöhnlich werden für Ausstellungen dieses Ausmaßes bereits existierende Materialien lediglich gesammelt und neu arrangiert. Bei diesem Projekt liegt aber die verbindende Kraft zwischen den präsentierten Werken in einer bildnerischen Arbeit, die sich auf alle beteiligten Objekte bezieht – also im Primat der Produktion neuer Bilder durch einen bestimmten Blick.

(Aus einem Gespräch, das Marc Ries mit Heinz Emigholz über dessen Architekturfilme geführt hat)

Deutschland/Österreich 2005-2009, HDV, Bildformat 1:1,37, 168 Minuten

Regie, Kamera, Schnitt: Heinz Emigholz

Kamera- und Schnittassistenz: Till Beckmann

Originalton: Till Beckmann

Tonbearbeitung und Mischung: Jochen Jezussek, Christian Obermaier; Postproduktion: Till Beckmann

Redaktion: Charlotte Pöchhacker

Produktion: Heinz Emigholz Filmproduktion, Berlin in Zusammenarbeit mit Arge Artimage Kadadesign, Graz

gefördert von "kultur steiermark"

Heinz Emigholz, geboren 1948, ist Künstler und veröffentlicht seit 1973 Filme (Forum 1974, 1975, 1976, 1979, 1982, 1984, 1991, 2001, 2003, 2005, 2007, 2008). Viele Ausstellungen, Retrospektiven und Publikationen. Professor für Experimentelle Filmgestaltung an der Universität der Künste Berlin.

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