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Forum expanded Talk and Show:
Episode 6: The Space Between Seeing and Knowing is Haunted
12.02.  10:00 Arsenal 1 (freier Eintritt)

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Der Regisseur Johan Grimonprez stellt Alfred Hitchcock als paranoiden Geschichtsprofessor dar, der in der Zeit des Kalten Krieges unwissentlich in ein doppelbödiges Verwirrspiel verwickelt wird. Der Meister sagt nur falsche Sachen zum falschen Zeitpunkt, während sich Politiker beider Seiten vor laufender Kamera verzweifelt darum bemühen, das Richtige zu sagen.

Double Take setzt sich zum Ziel, anhand merkwürdiger Paare und doppelbödiger Verhandlungen zu zeigen, wie "Angst als Massenware" durch globale Politik erst möglich wird. Während das Fernsehen das Kino überrollt und die Auseinandersetzung zwischen Chruschtschow und Nixon andauert, beginnt still und leise die Sexualpolitik, und Alfred selbst taucht im Fernsehen auf, in einer weltmännischen Rolle, in der er Hausfrauen mit Markenprodukten ködert, denen sie nicht widerstehen können.

Der Schriftsteller Tom McCarthy hat für Double Take die Geschichte einer persönlichen Paranoia geschrieben, die die politischen Intrigen widerspiegelt. Darin werden Hitchcock und sein schwer fassbarer Doppelgänger immer besessener vom perfekten Mord – sie wollen sich gegenseitig umbringen!

Regisseur Johan Grimonprez wirft einen genauen Blick auf TV-Archivmaterial der Zeit und benutzt Hitchcocks Die Vögel als grundlegende Metapher. So kommt er der Katastrophenkultur auf die Spur und verfolgt ihre unbarmherzigen Angriffe auf unser "Zuhause" bis zum heutigen Tag.

Ausschnitte aus einem Interview mit dem Filmemacher Geoffrey MacNab für Flanders Image:

"In seinem neuen Film Double Take widmet sich Künstler und Filmemacher Johan Grimonprez vertrauten Themen, wie der Art und Weise wie das Fernsehen sein Publikum manipuliert, Ängste schürt und die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmen lässt. (...) Double Take beginnt mit der Geschichte eines unheimlichen Ereignisses im Herbst des Jahres 1948, als Hunderte von Vögeln mit dem Empire State Building kollidierten und ihre Körper auf die Straßen New Yorks herabregneten. Dann erfahren wir von einem Flugzeug, das ebenfalls in das Empire State Building raste. Hitchcocks Die Vögel war also gar nicht so weit hergeholt, wie es den Anschein haben mag. Die Angst, die solch absurde Ereignisse auslösen, ist seither zunehmend zum Bestandteil unseres Alltags geworden. Grimonprez' Behauptung lautet nun, dass das undeutliche Gefühl von Bedrohung aus den 1960er Jahren uns auch heute heimsucht."

"Die Vögel wird zur Metapher für das Katastrophenfernsehen, das in die Wohnzimmer der Menschen eindringt', so Grimonprez. Demgegenüber steht der geschichtliche Hintergrund des Kalten Kriegs und der Missile Crisis. Das wiederum ist eine Metapher für Doppelungen – Osten und Westen, die politischen Doppel, die beide jeweils Ängste schüren und doch im selben Paradigma feststecken... das wiederum ist höchst zeitgemäß – das ganze Theater um Terrorismus, der Krieg gegen den Irak und die Atomwaffen im Iran. Das sind die Sachen, die ständig aus dem Hintergrund aufscheinen."

"Hitchcock traf genau den Nerv dieses Zustands der Angst, in dem sich die Gesellschaft um ihn herum befand und machte sich ihn zunutze, um damit bei seinem Publikum Gänsehaut zu verursachen. Im Prinzip, so Grimonprez, war diese Angst vor allem eine Angst vor "dem Anderen". Die Medien verstärkten diese noch zusätzlich und bedienten sich ihrer. Auch in Grimonprez' Film gibt es ein fiktionales Element: so lässt er den berühmten Hitchcock-Imitator Ron Burrage auftreten. Manchmal wissen wir während des Films daher nicht, wo das Archivmaterial aufhört und Burrages Szenen beginnen."

"Double Take kann auch als Beschreibung von Grimonprez' Arbeitsweise betrachtet werden, mit der bestehende Bilder hinterfragt und Klischees auf den Kopf gestellt werden. Zugleich verweist der Begriff auch auf die Arbeit der Sinnstiftung durch die Zuschauer im Angesicht der täglichen Bilderflut."

Belgien/Deutschland/Niederlande 2009, DigiBeta, 80 Minuten

Autor/Regie: Johan Grimonprez

Story: Tom McCarthy

Schnitt: Dieter Diependaele, Tyler Hubby

Musik: Christian Halten

Produktion: ZAP-O-MATIK, Nikovantastic Film, Volya Films u.a. mit dem ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE

Produzentin: Emmy Oost

Koproduzenten: Hanneke van der Tas, Nicole Gerhards, Denis Vaslin

Redaktion: Doris Hepp

Johan Grimonprez, Medienkünstler und Filmemacher, hat eine Gastprofessur an der School of Visual Arts in New York und arbeitet ansonsten in Brüssel. Mit der Videocollage Dial H-I-S-T-O-R-Y, einer ästhetisch bezwingenden, visuell hypnotischen Achterbahnfahrt durch die Geschichte der Flugzeugentführungen, erregte er 1999 große Aufmerksamkeit und erhielt bei den Internationalen Filmfestivals in San Francisco und Toronto die Auszeichnung "Bester Regisseur". Grimonprez' jüngste filmische Arbeit, der Kurzfilm Looking for Alfred (2005), eine Art Skizze für Double Take, erhielt den "Spirit Award" New York, den Internationalen Medienpreis für Wissenschaft und Kunst des ZKM Karlsruhe (2005) und den European Media Award 2006.

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