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Constanze Ruhm ist Videokünstlerin, Kuratorin und Professorin für Digitale Medien an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Viele ihrer Arbeiten waren im Forum Expanded zu sehen, zuletzt war sie dort 2013 mit KALTE PROBE vertreten.

Nicolas Wackerbarths CASTING feiert in diesem Jahr seine Weltpremiere im Forum. Der Spielfilm beleuchtet den Castingprozess eines Fassbinder-Remakes fürs Fernsehen, bei dem sich die Regisseurin für keine Hauptdarstellerin entscheiden kann. Der Regisseur zeigte bereits 2013 HALBSCHATTEN im Forum.

CAMERA THREAT von Bernd Lützeler ist im diesjährigen Forum Expanded zu sehen. Ausgehend von einem improvisierten Gespräch auf der Casting-Couch untersucht er das ambivalente Verhältnis der Filmstadt Mumbai zum analogen und digitalen Bewegtbild.

Die hier untersuchte spezifische Konstellation des Castings erscheint als eine Vorform der Probe: „Casting“ als erzählerisches Motiv und als Methode der Inszenierung zeigt sich (wie auch in anderer Hinsicht die Form des Making-of) als ein Subgenre und zugleich als deren radikalisierte Version, in der die Beziehung von Regie und Schauspiel, von Deutungsmacht und Darstellung anhand der Frage nach Machtverhältnissen und Selbstermächtigung, Dominanz und Unterwerfung (dies bisweilen auch unter sexualisierten Aspekten) zugespitzt wird. Die Konstellation des Castings verschärft diese Fragestellungen nicht zuletzt durch den Umstand, dass hier der Übergang zwischen Leben und Kunst, Mensch und Figur über den Weg der Darstellung unter Bedingungen subjektiver Bewertung des Könnens, des „Typs“ und der Flexibilität des Darstellers/der Darstellerin stattfindet, der/die daraufhin überprüft wird, ob er/sie den Ansprüchen einer Rolle genügen kann. In den Konstellationen von Probe und Casting stellt sich die Frage danach, welche Form der Arbeit künstlerisches Produzieren überhaupt sei. Im Casting steht weiters aber auch das Verhältnis von Kunst und Leben, von Darstellung und Inszenierung buchstäblich „auf dem Spiel“. Da im Casting das Oszillieren zwischen Realität und Fiktion anhand eines einzigen Schauspielerkörpers und -daseins zur Erscheinung gelangt, haftet ihm etwas Liminales an. Es erscheint (wenn eine solche Formulierung denn möglich ist) als der „noch existenziellere“ Modus der (Selbst-)Darstellung und der Eigenverwertung innerhalb der Abläufe, die innerhalb der Konventionen der Probe stattfinden. Schließlich ist es das eigene Selbst, das im Casting zur Gänze in die Waagschale geworfen werden muss. Das Casting zeigt sich so als eine radikale Form der „Probe vor der Probe“, die den Weg zur Teilhabe an der bevorstehenden Probenarbeit – wenn überhaupt – erst eröffnet. Noch geht es hier gar nicht um die Einübung von Figur, Text, Position und Haltung: Es ist das Leben selbst, das auf der Probe steht.

Das Subjekt findet sich auf dem Prüfstand einer (im besten Foucault'schen Sinne) noch unbekannten (Regie-)Macht und verwandelt sich so zu einer Allegorie des Begriffs eines „Subjekts auf Probe“ in einem bloß geliehenen Leben. Und mehr noch als im Verfahren der Probe kristallisiert sich im Casting als einem inszenatorischen Mittel der Darstellung ein Bild der Produktion von Fiktion – und so nicht zuletzt von der Fiktion einer (prekären) Identität: Denn während sich der ontologische Status der Darsteller(innen)subjekte in der klassischen Film- oder Theaterprobe (zumindest vorübergehend, im Rahmen der ihnen bereits zugewiesenen Rollen) mehr oder weniger „in Sicherheit“ befindet, geht es beim Casting zuallererst darum, die für die Rolle am geeignetsten befundenen Schauspieler(innen) zu „casten“, also im wörtlichen Sinne „in die Rolle hineinzumodellieren“, als seien sie Material, das erst in einer Gussform Gestalt annehmen kann. [3]

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