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Für mich, der ich mich seit Jahrzehnten mit den Archiven des Ostkongos beschäftige, ist KAPITA eine Reflexion über mein Verhältnis zu den fundamentalen Irrtümern der Moderne. Einerseits bin ich beim Filmemachen auf moderne Technologien angewiesen. Gleichzeitig lebe ich in einer an Bodenschätzen reichen Konfliktregion und erfahre aus erster Hand die sozialen, politischen, ökologischen und spirituellen Zerstörungen, die die extraktiven Systeme anrichten, von denen die sogenannte moderne Welt abhängig ist. Aus dieser Perspektive sehe ich die untrennbare und dauerhafte Beziehung zwischen Kolonialismus, rassisiertem Kapitalismus und dem, was wir als Fortschritt feiern sollen. Und dennoch bin ich auf die Werkzeuge der Moderne angewiesen, um ihre Schattenseiten zu beleuchten. Egal wie ich es angehe, dieses Paradox bringt mich (zurück) zur Frage des Geschichtenerzählens – welche Geschichten müssen erzählt werden, um den Schein aufrechtzuerhalten, dass Fortschritt unser Bestreben sein soll? Und noch wichtiger: welche Geschichten müssen unbedingt ausgelassen werden?

In KAPITA gehe ich diesem Ausgelassenen, dem Unsichtbaren nach. Das Ausgangsmaterial für diese Spurensuche ist eine Sammlung von Archivfilmen, darunter PANAMA STAR OF CONGO (1912) und LE FONCTIONNEMENT D’UNE BOURSE DE TRAVAIL (1926), die zu den ersten Filmen gehören, die in Afrika gedreht wurden, um die Illusion zu untermauern, dass die Kolonisation ein philanthropisches Zivilisationsprojekt sei. Durch einen Prozess, den ich „Ästhetik neukodieren“ nenne, durchforste ich diese Filme auf das, was sie unsichtbar machen: die von den auf weiße Haut geeichten Kameras in Luft aufgelösten Schwarzen Arbeiter*innen, den kollateralen Tod und die unter der Infrastruktur vergrabene Zerstörung. Und vielleicht am fatalsten von allem: Die Gefängnisbeziehung zwischen indigener Erinnerung und kolonialen Archiven, die uns im Mythos des Fortschritts gefangen hält. KAPITA ist der zweite Teil eines Filmtriptychons, das sich der Neukodierung von Ästhetik widmet. Als Ganzes ist dieses Projekt in meinem eigenen indigenen Verständnis von Zeit und Raum verwurzelt, in dem die Vergangenheit der Zukunft mit der Zukunft der Vergangenheit verbunden ist. Sinn dieser ästhetischen Praxis ist es, die Erzählung der Moderne nicht nur durch das Suchen, Betrauern und Würdigen des Unsichtbaren zu unterbrechen, sondern gleichzeitig Erzählweisen vorzuschlagen, die indigene Erinnerung, Vorstellungskraft und zukünftige Möglichkeiten zulassen.

Petna Ndaliko Katondolo

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