Direkt zum Seiteninhalt springen

Als ich damals als 25-jährige Filmstudentin dem Hopi James Danaqyumptewa zusagte, ihm und den Hopi-Ältesten zu helfen, einen eigenen Film zu machen, wusste ich nicht, auf was für ein Abenteuer ich mich einlasse und wie nachhaltig mich dies prägen wird - bis heute.

Danaqyumptewa traf ich zum ersten Mal 1986, als er als Vertreter der Hopi in Europa auf Reise war, um bei der Uno in Genf und am Internationalen Gerichtshof in Den Haag für die Unabhängigkeit seines Volkes zu kämpfen. Zusammengebracht hat uns eine gemeinsame Freundin, die Schweizer Künstlerin Agnes Barmettler, weil James jemand suchte, der ihm für seine Anhörung seine Super-8-Rolle neu zusam­men­schneiden konnte. Ich montierte seine Aufnahmen so, wie er es wünschte und sah zum ersten Mal seine S-8-Aufnahmen von politischen Aktionen und Zeremonien und war sofort im Bann dieser speziellen Dokumente. Für Danaqyumptewa war dies der Ausgangspunkt für sein Vertrauen in mich, dass er nach jahrelangen vergeblichen Versuchen endlich die richtige Filmerin für seine Mission ge­funden hatte. Denn seit bald 20 Jahren hatte er von den Hopi-Ältesten den Auftrag bekommen, einen Film von und für Hopi zu machen. Doch bisher hatten all die angefragten Filmer*innen am Ende ihren eigenen Film realisiert. Relativ spontan sagte ich zu. Es klang abenteuerlich und mit Agnes als Hopi-Kennerin würde mir eine Freundin unterstützend zur Seite stehen. Unsere Vereinbarung lautete: Die Hopi bestimmen zu 100 % den Inhalt des Filmes, indem Danaqyumptewa alle Interviews führt und deren Ausschnitte und Reihenfolge bestimmt, wir hingegen freie Wahl für die gestalterische Umse­tzung haben. Als Filmerin hatte ich die Aufgabe, aus seinen Erzählungen ein Filmkonzept zu schreiben, meine Schwester Rachel Schmid übernahm die Funktion als Produzentin, schliesslich wollten wir uns auch von keiner Produktion reinreden lassen. Tatsächlich hatten wir zwei Jahre später dank deu­tschen und Schweizer Fördergeldern die Mittel, um mit der Realisierung des Filmes zu beginnen.

Ich meinte, für sechs Monate in die USA zu reisen, doch dieses aussergewöhnliche Werk verlangte auch eine aussergewöhnliche Hingabe, bei der ich immer wieder radikal herausgefordert wurde, um die "Innenperspektive" der Hopi tatsächlich filmisch umzusetzen. So konnte ich nicht einfach für 6 Wochen mit einem Filmteam drehen gehen, sondern ich musste ein ganzes Jahr dort leben, um das Lebensgefühl der Hopi mit ihrem jahres-zyklischen Weltbild real zu erfahren und so gleichzeitig anhand des Ackerbaus dokumentieren zu können.

Für unsere filmische Kollaboration, bei der Danaqyumptewa den gesamten Arbeitsprozess begle­iten und gleichzeitig seinen religiösen Verpflichtungen und seinen Arbeiten als Hopi-Bauer nachgehen konnte, mussten wir vor Ort die entsprechenden Bedingungen schaffen. So hatten uns für die Monta­gearbeit ausserhalb des Hopireservates eine Filmwerkstatt eingerichtet, denn in unserem Dorf Hote­villa gab es weder Strom noch fliessendes Wasser. (Die Gründe dazu werden in Techqua Ikachi, Land - Mein Leben mit S-8-Aufnahmen von Protestaktionen und Zeugenaussagen dargelegt.) So pendelten wir regelmässig zwischen unserer Filmwerkstatt in Flagstaff und dem Hopidorf Hotevilla hin und her und arbeiteten sowohl gemeinsam am Film als auch gemeinsam auf dem Feld. Dieses konkrete Mit-Anfassen hat mir geholfen, die Aufnahmen aus einem inneren Verständnis heraus zu filmen.

Die Verpflichtung, den Hopi bei der Realisierung eines eigenen Films zu helfen, verlangte nicht nur, Danayumptewa inhaltlich den letzten Entscheid zu überlassen, sondern auch eine adäquate filmische Erzählform für die Art der mündlichen Überlieferungen der Hopi zu finden. Deswegen folgt die Film­dramaturgie der "Logik" der Hopi, welche immer ganz am Anfang der heutigen Welt beginnt, nämlich beim Aufstieg aus der dritten in die die heutige vierte Welt. Aus unserer Perspektive bezeichnen wir dies als Mythologie, für unseren Hopi Ko-Autor hingegen ist dies genauso geschichtliche Realität wie die Zeugenberichte der Ältesten von ihren Misshandlungen in amerikanischen Gefängnissen.

Klare Konzession von Anfang war: jeglicher Verzicht auf erklärende Kommentare für Außenstehen­de. Manchmal war dies für mich schmerzhaft, denn durch die vielen Gespräche mit Danaqyumptewa und seiner Familie habe ich viel spannendes Hintergrundwissen erfahren, das ich gerne weitergege­ben hätte. Aber gleichzeitig war mir immer klar, dass gerade darin die Bedeutung und die Stärke des Filmes liegt. Die Hopi allein bestimmen, was sie erzählen und weitergeben wollen und was nicht. Daher gibt es auch im ganzen Zeremonial-Zyklus keine Erläuterungen und nur diejenigen Lieder sind übersetzt, die auch kommende Hopi-Generationen verstehen müssen. Doch auch ohne Worte ist es für uns ein Geschenk, dass wir diese Zeremonien überhaupt sehen können – ähnlich einem Aufenthalt im Hopiland als Gast. Wobei Danayqumptewa bei der Montage des Zeremonial-Zykluses ganz speziell auf Genauigkeit geachtet hat, damit die Reihenfolge stimmt und seine Tonaufnah­men mit den exak­ten Super-8-Bildern kombiniert werden. Allzu oft haben die Hopi erleben müssen, dass in Filmen bei Ritualtänzen die Musik beliebig gemischt wird und dass sogar Musik von anderen indigenen Gruppen hinzugefügt wird.

Nach einem Jahr intensiver Zusammenarbeit war der Rohschnitt fertig. Bevor wir abreisten, kamen alle beteiligten Hopi am Schneidetisch den Film anschauen, um über die Freigabe zu entscheiden. Alle Ältesten stimmten mit sichtlicher Freude der Veröffentlichung zu – auch zur grossen Erleichterung von Danaqyumptewa, auf dem über Jahre die große Verantwortung für die Realisierung dieses Hopi-Dokumentes lag.

Anschliessend habe ich in Berlin mit der Editorin Inge Schneider den Feinschnitt gemacht, das heißt, wir bearbeiteten die Bildebene und fügten die historischen Fotos ein, ohne ein einziges Wort zu verän­dern. Dann kam Danayqumptewa mit Agnes wieder hinzu, um allerletzte Anpassungen anzubringen. Doch bald schon musste er zurück, um zuhause an den Zeremonien teilzunehmen. Für die erste öffentliche Aufführung von Techqua Ikachi, Land - Mein Leben vom 6. Juli 1989 kam Danaqyump­tewa mit seiner Tochter und Enkelin nochmals nach Berlin.

Nun, 35 Jahre später, wurde der Hopi Film dank dem Förderprogramm Filmerbe digital restauriert. Dies freut mich von Herzen, nicht nur, weil die Bilder wieder leuchten, die inzwischen 60.000 Mal auf youtube in schlechter VHS-Qualität gestreamt wurden, sondern weil der Wunsch der Hopi-Ältesten nach einem eigenen Film ein zweites Mal in Erfüllung geht und so ein wichtiges Dokument der Native American History in die digitale Welt transformiert wird und in erstklassiger Qualität eine neue Öffentlichkeit finden kann und – weil ich im Rückblick erkenne, wie mutig und radikal ich als junge Filmerin war und nur dank meinem absoluten Commit­ment der Hopi-Film in dieser außergewöhnlichen Art entstehen konnte.

ZURÜCK ZUM FILM

Gefördert durch:

  • Logo des BKM (Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien)
  • Logo des Programms NeuStart Kultur