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Die erste Idee für TRÊS TIGRES TRISTES (Three Tidy Tigers Tied A Tie Tighter) kam mir 2016, inspiriert von den Geschichten und der Energie seiner Protagonist*innen: drei junge Menschen, die durch São Paulo streifen, jeder von ihnen beschäftigt mit seinen eigenen Problemen. Sechs Jahre, diverse Drehbücher, einen Coup, einen faschistischen Präsidenten, die Verschrottung der brasilianischen Kultur, den Niedergang der Nationalen Filmagentur Ancine und eine Pandemie später ist dieser Spielflilm nun endlich fertig. Er ist aber durch und durch zu einer Apokalypse geworden, in der Hoffnung einzig und allein darin besteht, auf das Unwirkliche zu setzen. „Eine neue Welt ist unmöglich, und das ist die Richtung, in die wir uns bewegen“, sagt Mirta, die im Film von Cida Moreira gespielt wird.

Bestimmte Filme waren für mich als Referenzen von Bedeutung, nicht notwendigerweise aufgrund ihrer Ästhetik, sondern ihrer Aura der Unschuld

Ich wollte schon immer einen Film machen, der zärtlich und ein klein bisschen naiv ist, der auf eine eher kindliche Welt zurückgreift – wenn auch bittersüß. Aus einem Wunsch wurde angesichts der harschen Realität unserer Gegenwart Notwendigkeit. Dabei waren bestimmte Filme für mich als Referenzen von Bedeutung, nicht notwendigerweise aufgrund ihrer Ästhetik, sondern wegen dieses spezifischen Gefühls und ihrer Aura der Unschuld. Diese Filme berühren mich tief, beispielsweise TAMPOPO von Juzu Itami, HAUSU von Nobuhiki Obayashi, HAROLD AND MAUDE von Hal Ashby, und DANÇA DOS BONECOS von Helvécio Ratton, ein brasilianischer Film, den ich als Kind mehr als einmal gesehen habe.

TRÊS TIGRES TRISTES wurde zu einer Art Roadmovie zu Fuß, zu einem Film, der nicht nach etwas Besonderem sucht, sondern zulässt, sich von dem, auf was er trifft, wegtragen zu lassen. Der Film bescherte mir neue Lieblinge: meine drei Hauptdarsteller*innen (Jonata Viera, Isabella Pereira und Pedro Ribeiro), die nie zuvor beim Film gearbeitet hatten und die ich mithilfe von Nash Laila (einem Casting Director und guten Freund) in sozialen Netzwerken fand, ebenso Tainá Mühringer, mit der zusammen ich das Drehbuch schrieb. Zur Arbeit mit den drei Darsteller*innen gehörten virtuelle Treffen über den Zeitraum von beinahe anderthalb Jahren, in denen wir unsere Filmreferenzen und -Erfahrungen teilten. Diese Phase des Kennenlernens war grundlegend und bereitete uns auf die gemeinsame Zeit am Set vor, die außergewöhnlich kurz ausfiel (drei Wochen) und mit einem zusammengestauchten Budget auskommen musste (die zusätzlichen Ausgaben für die Covid-Sicherheitsauflagen schlugen deutlich zu Buche, und Ancine – inzwischen unter der Kontrolle von Bolsonaro – verweigerte uns eine Budget-Anpassung).

Freund und Feind

Der Film brachte zudem ein Wiedersehen mit alten Bekannten: Da wäre die Stimme von Cida Moreira, die mich stets zu Tränen rührt (ich habe schon einmal mit Cida zusammengearbeitet, als sie mir 2016 erlaubte, eines ihrer Lieder für den Kurzfilm OS CUIDADOS QUE SE TEM COM O CUIDADO QUE OS OUTROS DEVEM TER CONSIGO MESMOS zu verwenden); da wären die Kompositionen von Marco Dutra und Caetano Gotardo; geliebte Schauspieler*innen wie Julia Katharine, Gilda Nomacce, Majeca Angelucci und Carlos Escher; die Malerei und die Entwürfe von Gabriel Pessoto, der schon so viele Filmplakate für mich gestaltet hat (unter anderem für diesen hier) und der im Film seine Spuren in Form der Kunstwerke der Figur Pedro hinterlässt; da wäre mein Freund von der Filmhochschule, Rodrigo Carneiro, der den Schnitt übernommen hat (und den Film auch produziert hat); und schließlich die Anwesenheit der Internet-Berühmtheit Inês Brasil (in der Rolle des Jaguars), deren großer Fan ich bin, und die für mich Brasiliens Wunsch verkörpert zu leben, da zu sein, dazuzugehören, gesehen zu werden, zu begehren.

Wie der Name Inês Brasil schon vermuten lässt, ist eines der zentralen Themen des Films dieses Land, das durch diverse, hier und da eingestreute nationale Symbole repräsentiert wird: die Farben der brasilianischen Flagge auf dem Papier eines Joints, der ikonische und verschmutzte Rio Tietê; eine goldene Landkarte versteckt zwischen einer Reihe Objekten; und ein Soundtrack, für den João Marcos de Almeida klassische brasilianische Musik mit Synthesizern neu interpretiert. Ein weiteres Thema, das für das allgemeine Verständnis des Films in meinen Augen von Belang ist, betrifft den Wert der Dinge, insbesondere den Wert des Geldes, das jede Beziehung durchdringt. Und ja, das sind zwei große Fragen – nationale Identität und Kapital –, doch der Film gibt nicht vor, sie zu lösen. „That’s crapitalism“, wie einer der Hauptfiguren gerne sagt.

Große Themen mal beiseite, hoffe ich mehr als alles andere, dass TRÊS TIGRES TRISTES den Menschen, die den Film sehen, gefällt, dass sie ihn schön finden und lustig. Am Ende ist er eben vieles in einem: ein Musical, eine Liebeskomödie, eine Fantasie, ein Abenteuer, Science-Fiction, ein Teenie-Film, ein Kinderfilm, ein lateinamerikanischer Film …

Gustavo Vinagre

Übersetzung: Dominikus Müller

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