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Barbara Wurm: Lieber Abdenour, ich bin sehr dankbar, dass wir diesen starken, wichtigen und eindrücklichen Film über Frantz Fanon als Weltpremiere zeigen können, auch wenn zumindest die algerische Filmcommunity dadurch ein wenig warten musste. Ich freue mich sehr auf Euer Gespräch und bedanke mich bei Brigitta Kuster und ganz besonders bei Madeleine Bernstorff für ihre Unterstützung und Beratung. Das Gespräch werdet ihr auf Französisch führen und wir werden es danach übersetzen.

Madeleine Bernstorff: Die Arbeit an deinem Film war ein sehr langer Prozess, bitte erzähl uns, wie er anfing.

Abdenour Zahzah: Es begann, als ich anfing Filme machen zu wollen. Ich suchte nach einem Sujet, das mir nahe war, da wo ich lebe. In Blida, eben dort, wo sich dieses berühmte Krankenhaus befindet. Ich programmierte damals, 1998, die Cinémathèque in Blida und zeigte den Leuten in der Klinik einen englischen Film FRANTZ FANON: BLACK SKIN WHITE MASK. Gut, sie mochten ihn nur mäßig, aber sie baten mich, ein Kolloquium zu Frantz Fanon zu filmen. Damals lernte ich ein unglaubliches Team kennen, das mit Frantz Fanon gearbeitet hatte und noch nicht in Rente gegangen war. Die Krankenpfleger. Und dann den Chefarzt Bachir Ridouh, Fanons Nachfolger. Und von ihm – ich war damals 26 Jahre alt – habe ich gelernt, wie eine psychiatrische Klinik funktioniert. Wir haben über drei Jahre gedreht. Mir gefiel der Geist der Klinik, ich wurde mit dem Psychiatrievirus infiziert. Und dann fing ich an, die Protagonist*innen für meinen ersten Dokumentarfilm, FRANTZ FANON: MÉMOIRE D’ASILE, zu filmen. Aber ich wollte irgendwann einen Spielfilm machen. Da ist sehr viel Druck: Man hat einfach kein Recht, sich zu irren oder etwas Falsches über den weltberühmten Frantz Fanon zu erzählen. So habe ich viel recherchiert und dann im Krankenhaus die gesamten Verwaltungsakten und die damalige Polizeiakte von Fanon gefunden. Das Krankenhaus war eine Hochburg der FLN (Front de libération nationale). Die Zahl der toten Aktivist*innen und wer davon Krankenpfleger oder Arzt war, ist beeindruckend. Fanon hatte in der Klinik auch eine Zeitung gegründet, in der die Kranken selbst schrieben, und ich habe alle Ausgaben dieser Zeitung gefunden. Der Alltag ist also gut beschrieben. Sie hatten auch einen Filmclub, Sportwettkämpfe. Das war damals etwas Besonderes. In den 1950er Jahren gab es kaum Medikamente und es gab keine persönlichen Begegnungen zwischen den Ärzten und den Kranken. Fanon war der erste Arzt, der diesen Hof voller Kranker betrat, und das hat die Erinnerungen der Krankenpfleger von Blida sehr geprägt.

Brigitta Kuster: Ich möchte auf diesen besonderen Titel zurückkommen: „Eine wahre Chronik ....“, also eine wahrheitsgetreue Chronik der tatsächlichen Ereignisse zwischen 1953 und 1956, von Fanons Ankunft im Krankenhaus bis zu seiner Abreise, seiner Kündigung. Der Film, obwohl eine Fiktion, hält sich sehr genau an die Wirklichkeit, an überlieferte Dokumente und auch an die Schriften von Fanon wie zum Beispiel die Fallbeschreibungen aus „Les damnés de la terre“ (Die Verdammten dieser Erde). Wie hast du diese Form der Chronik entwickelt, beim Schreiben des Drehbuchs und in der Zusammenarbeit mit den Schauspielern und Schauspielerinnen? Du arbeitest mit professionellen Schauspielern und Schauspielerinnen, aber castest auch Charaktere, die du vor Ort gefunden hast. So sind es auch deren verkörperte, gelebte Erfahrungen, die du uns, den Zuschauer*innen zugänglich machst.

AZ: Der Titel hat mit dem zu tun, was ich erzählen wollte. Frantz Fanon hatte ein sehr kurzes Leben. Er starb mit 36 Jahren, aber er war Zeuge großer Ereignisse. Zuerst der Zweite Weltkrieg. Das ist schon ein Film! Er war 17 Jahre alt, er war Franzose. Die Leute aus Martinique sind in ihrem Kopf Franzosen, vor allem damals, es gab noch kein Fernsehen, und in ihrem Kopf waren sie Franzosen wie alle Franzosen. Fanon folgte dem Aufruf de Gaulles, Frankreich zu verteidigen. Aber als er in Frankreich ankam, stellte er fest, dass dieses Frankreich nicht wie Martinique aussah … Die Leute sahen nicht aus wie er. Das war ein erster Schock, ein großer Schock. Eine Kriegsverwundung hat ihm dann ein Stipendium für das Medizinstudium in Lyon verschafft. Es gab nur wenige schwarze Studenten im Lyon der Nachkriegszeit. Der junge Fanon erleidet und erlebt den alltäglichen, banalen Rassismus. Er interessiert sich für Philosophie. All dies ist in seinem ersten Buch „Peau noire, masques blancs“ (Schwarze Haut, weiße Masken) gut beschrieben. Und dann gibt es noch den Algerien-Teil. Das hat mich interessiert, denn diese Phase konnte ich mit der größten Aufrichtigkeit erzählen. Fanon praktiziert das, was ihm am Herzen liegt. Er findet sich in Blida in einer riesigen psychiatrischen Klinik mit Hunderten von Kranken wieder. Er begegnet einem Volk, einem kolonisierten Volk, das ihn an seine eigenen Verletzungen erinnert. Die Wunden dieses Franzosen aus Martinique. Und er ist während des algerischen Aufstands am 1. November 1954 vor Ort, auch das prägt ihn. Frantz Fanon lebt frisch verheiratet in Blida in einer riesigen Dienstvilla, mit dem Gehalt eines leitenden Angestellten. Aber nach drei Jahren lässt er all das zurück, gibt diesen komfortablen Status auf und geht in den Untergrund. Da ist diese so unglaubliche Entscheidung, die Fanon getroffen hat, legendär geworden mit seinem Kündigungsbrief an den damaligen Generalgouverneur in Algerien. Und diese Entscheidung, sich der FLN (Front de libération nationale) anzuschließen, hat wiederum sein philosophisches, sein politisches und sogar sein Denken als Mediziner geprägt.

MB: Und nochmal zurück zu der Präzision dieses langen Titels!

AZ: Ich wollte mit dem Titel des Films aufrichtig sein. Ich habe den Titel genau auf diese Zeit bezogen. Wie die Brüder Lumière, die ihren Filmen sehr präzise Titel gaben: geographische Angaben der Orte, an denen sie filmten ... Ich habe keinen kürzeren Titel mit der gleichen Präzision gefunden. Ich erzähle nur von dieser Zeit in Blida, die mir die reichste und wichtigste zu sein scheint, weil sie den Psychiater Fanon, den man oft vergisst, und die Theorien der „École d'Alger de psychiatrie“, die heute vergessen sind, ans Licht bringt. Vergessen, aber immer noch da. Die Theorien der „École d'Alger de psychiatrie“ haben eine dicke Haut, wie man im Französischen sagt. Sie galten als „seriöse, testbasierte Theorien“, wie es ein Psychiater im Film sagt. Sie meinten entdeckt zu haben, dass Araber und noch schlimmer Schwarze nur einen Teil ihres Gehirns zum Denken nutzen. Und Fanon kommt nun mit den innovativen Ideen von François Tosquelles aus dem Krankenhaus von Saint-Alban in diese Hochburg des Rassismus. Das wollte ich mit meinen Mitteln so ernsthaft und präzise wie möglich erzählen.

BK: Auch die Entscheidung in schwarz-weiß zu drehen scheint mir grundlegend. Dann gibt es diese Abfolge bestehend aus Episoden von Ansichten, die in kürzeren oder längeren Sequenzen montiert sind und eine lineare Chronologie schaffen. Fast nie bewegt sich die Kamera, sie ist eher fest, nimmt Winkel, Ausschnitte, Ansichten bestimmter Konstellationen von Menschen und Dingen auf. Die Flure spielen eine wesentliche Rolle, die Raumfluchten, die Treppen, die Ecken, die Lobbys, die Vorzimmer, die Eingänge und die Innenhöfe der Psychiatrie – es ist entscheidend, dass du an den Orten selbst gedreht hast. Erzähl uns etwas über diese Konstellationen von Menschen und Orten, die dem Film seinen Rhythmus geben.

AZ: Für mich war es unvorstellbar, den Film an einem anderen Ort als dem Krankenhaus in Blida zu drehen. Glücklicherweise erhielten wir alle Genehmigungen und auch die Zustimmung der Ärzte. Frantz Fanon wird in Blida sehr respektiert. Die Leute, die im Krankenhaus arbeiten, verehren ihn. Er ist eine Legende. Man sollte die wirklich Kranken nicht filmen, also haben wir uns mit den Patient*innen abgestimmt. Wenn wir im Erdgeschoss drehten, brachten wir sie in den ersten Stock und umgekehrt. Diejenigen, die ruhiger waren, standen daneben und sprachen nicht. Aber manchmal sprachen sie. Die Architektur der damaligen psychiatrischen Kliniken ähnelt der Architektur von Gefängnissen. Sie ist schwierig als Kulisse zu bauen. Es sind Höfe, große Säle, Schlafsäle, Zellen. Von diesen Zellen ist nur noch eine einzige übrig geblieben, die man am Anfang des Films sieht. Es gibt große Fenster, aber die sind vergittert. Ich persönlich liebe die Psychiatrie und die Gerüche der Psychiatrie, die für mich die Gerüche des Humanismus sind, aber für das gesamte technische Team war es nicht einfach. Wir blieben nicht lange, wir drehten sehr schnell, auf jeder Station nur zwei oder drei Tage. Es gab Maler und Schmiede, die Schweißgeräte dabeihatten: Wir haben die Gitter für den Dreh entfernt und dann wieder anmontiert. Es war ein harter Dreh, aber es hat sich gelohnt. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, die Psychiatrie in Farbe zu filmen. Ich wollte keinen spektakulären Film machen, der nur ablenkt. Ich wollte feste Einstellungen, so wie die Ärzte ihre Beobachtungen machen. Und das rechtfertigt auch den Titel „Chroniken...“, die Länge der Sequenzen, den Rhythmus. Es ist eine Chronik dieser drei Jahre. Der eigentliche Chef einer psychiatrischen Klinik ist der leitende Chefarzt. Dann gibt es die Patient*innen. Und die Krankenschwestern und -pfleger. Und die Angehörigen der Patient*innen, denn man besucht seine Verwandten. Und es gibt Heilungen, also gibt es Entlassungen. Damals gab es auch Zwangseinweisungen. Früher lieferte die Polizei, wie man im Film sieht, auf amtlichen Befehl des Präfekten Leute in die Klinik ein, und dann gab es leider – das existiert bis heute –Familienmitglieder, die einen der ihren in die Klinik brachten, um ihn zu enterben. Fanon versuchte dem entgegenzuwirken, indem er eine Tagesklinik einrichtete. In der Tagesklinik ist es der Arzt, der dem Kranken eine Kurzzeittherapie verschreibt. Fanon tat dies jedoch auch aus politischen Gründen. Es ging darum, FLN-Aktivisten unter anderem Namen unterzubringen.

MB: Wie war die Arbeit mit den Schauspieler*innen, den Protagonist*innen und Statist*innen, und vor allem mit dem Hauptdarsteller Alexandre Desane, der Fanon spielt? Kannst du dazu etwas sagen?

AZ: Alexandre Desane! Es war ein unglaubliches Glück, ihn zu treffen. Ich wollte jemanden von den Antillen wie Fanon. Ein befreundeter algerischer Regisseur wies mich auf einen Schauspieler mit haitianischen Wurzeln hin. Alexandre war dann ein unglaublicher Partner für die Dauer der Produktion, die wegen COVID drei Jahre dauerte. Er wurde zu meinem Komplizen bei diesem Film. Zum einen mochte er Fanon sehr, aber vor allem hatte er es als Schauspieler satt, dass man ihm nur Rollen als Drogendealer oder Vergewaltiger anbot. Er liebt es, Schauspieler zu sein, aber gleichzeitig ist er Informatiker. Das ist seine Intelligenz, er hat seinen Beruf behalten, um sich Rollen aussuchen zu können, die ihm gefallen. Die Figur des Ramée habe ich nach einem Foto ausgewählt, Gérard Dubouche, und er stammt – wie die Figur – aus einer algerisch-französischen Familie, seine Mutter kommt aus einem medizinischen Milieu in Algerien, also war er seiner Rolle auch sehr nahe. Amal Kateb, Kader Affak, Omar Boularkirba, der Oberpfleger, waren ebenfalls sehr gute Darsteller für ihre Rollen. In einem Krankenhaus gibt es die Pfleger*innen und die Gepflegten. Die Statist*innen waren wesentlich. Sie kamen aus Blida und waren sehr präzise. Es waren Leute, die Theater gespielt hatten, es fiel ihnen leicht mitzumachen. Sie verstanden den Kontext und sie verstanden, dass sie da sein mussten. Das betrifft auch Olivier Fanon, den Sohn von Frantz Fanon – das war die Idee von Alexandre Desane. Olivier hat sich bereit erklärt, die Rolle von Fanons langjährigem Freund Marcel Manville – ebenfalls ein großer antikolonialer Aktivist und außerdem Anwalt – zu spielen. Olivier Fanon als Marcel Manville kommt in dieser Szene also, um seinen Papa zu retten.

BK: Ich möchte noch eine Frage zur Bedeutung von Fanon in unseren heutigen Gesellschaften stellen. Im Film wird Tosquelles mit dem Konzept der institutionellen Therapie zitiert, wonach man nicht nur die Kranken, sondern vor allem die Institution heilen müsse. Dein Film erzählt auch vom Einbruch der Gewalt der Kolonialgesellschaft in Algerien in das Krankenhaus. Der Einbruch des Terrors. Du zeigst uns die Zeit des Aufstiegs der FLN, des Anstiegs des Terrors in der Gesellschaft und gleichzeitig im Krankenhaus. Es stellt sich also die Frage, wie man nicht nur die Institutionen, sondern auch die gesamte Gesellschaft heilen könnte. Was ist also demnach die Bedeutung Fanons heute? In Algerien natürlich, aber vielleicht auch allgemeiner.

AZ: Ich denke, Fanon ist auf politischer Ebene nach wie vor sehr aktuell. Zunächst einmal in Algerien, wo die Menschen sehr unter dem Postkolonialismus leiden. Und das gilt für ganz Afrika und für alle ehemals kolonialisierten Länder. Denn die Kolonialisierung hinterlässt leider, wie ich am Ende des Films zeige, unauslöschliche Spuren. Es sind sehr tiefe Wunden. Heute sind die Algerier*innen unabhängig, ist Algerien unabhängig. Aber ist auch der Geist unabhängig? Ich bin mir nicht sicher. Man fühlt sich unfähig, einen Schritt voran zu gehen. Menschen die auswandern, blühen manchmal auf, aber sie sind unfähig, sich in ihrem Land zu emanzipieren. Ich glaube, dass das ein psychisches Problem ist. Im Grunde genommen trauen wir uns selbst nicht, wenn wir in unserem Land sind. Jedenfalls sind das die Spuren der Kolonisierung. Darüber hat Fanon in seinem letzten Buch viel geschrieben. Er war sich auch ziemlich sicher, dass die Regierenden das Muster der ehemaligen Kolonialherren reproduzieren würden. Und dass sie eine neue Bourgeoisie einführen würden, schlimmer als die der Kolonialherren, eben unter falschen Vorzeichen. Und auf einer globaleren Ebene? Frantz Fanon hatte verstanden, dass die Kolonialisierung über einen längeren Zeitraum Verheerungen verursacht, die in ihrem wahren Ausmaß sowohl auf der Seite der Kolonisatoren als auch auf der Seite der Kolonisierten noch nicht erfasst werden. Denn die Kolonisierung schafft ungesunde Beziehungen, und das führt zu Verwüstungen der menschlichen geistigen Gesundheit... Aber um ein wenig Hoffnung zu geben, würde ich sagen: Wenn man sich des Phänomens wirklich bewusst ist, wenn man über seine Situation als Mensch aus dem Süden oder Norden, aus dem Osten oder Westen nachdenkt, kann man sich ein wenig aus der Affäre ziehen, das ist die Schärfe von Fanons Theorien.

BK: Auch der Wahnsinn ist ein Ausweg, eine Möglichkeit sich zu entziehen, es gibt da zwei Schauspieler im Film, ein Duo, das in Nebenszenen ohne Dialog auftritt. Sie tauchen oft an den Rändern der Erzählung auf, z.B. in der Fußballszene, wenn sie die Straße fegen oder einer Rede zuhören. Sie unterstützen die Handlung nicht wirklich, aber sie erzählen etwas. Es ist dieses Etwas, das mir auffällt, fast nichts, aber es hat doch Gewicht. Es erzählt etwas Großes mit Gesten und in Mikrosituationen. Sind es Erinnerungen, die in den Körpern aufbewahrt werden? Ich sehe darin einen Zusammenhang in der Beziehung zwischen Fiktion, Dokument und Wirklichkeit. Ich glaube, dass wir es hier mit dem Imaginären zu tun haben, das ist ein treffenderer Begriff: Da ist etwas, in dieser Tatsache, nichts Besonderes zu erzählen und gleichzeitig alles zu erzählen, was der Film erzählt.

AZ: Der Film ist eine Fiktion über Fanon, weil Fanon nicht mehr da ist. Aber gleichzeitig ist er eine Dokumentation über das Krankenhaus und die Menschen, die dort leben, weil es Menschen gibt, die in der Klinik leben und dort sterben. Übrigens habe ich, als ich 1998 meinen Dokumentarfilm drehte, Kranke gefunden, die seit Fanons Zeiten dort waren. Sie waren dort, vergessen von ihren Familien. Und wenn sie in die Stadt gingen, kehrten sie sogar dorthin zurück, es war zu ihrem Zuhause geworden. Ich habe versucht, sie durch Figuren zu inszenieren, die gleichzeitig auch das Krankenhaus dokumentieren. Es gibt einen Fußballplatz, der von Fanon, den Pflegern und den Patienten gebaut wurde. Ich erinnere mich noch, als ich klein war, weil mein Vater Fußballer war, gab es im Krankenhaus eine Fußballmannschaft, die in verschiedenen Ligen spielte. Auch den Bauernhof haben wir während der Dreharbeiten gefunden. Der Bauernhof, den man im Film mit den Kühen sieht, war der echte Bauernhof des Krankenhauses. Er existiert tatsächlich noch, gehört aber nicht mehr dem Krankenhaus, sondern Landwirten. Ich habe diese unglaubliche Wäscherei wiedergefunden, die nicht mehr so funktioniert wie früher mit diesen großen Maschinen, großen Schornsteinen …

MB: Also hast du auch ein Dokument über die Geschichte der Klinik geschaffen!

AZ: Ich wollte, dass die Leute im Krankenhaus sich an diese Orte erinnern. Und in diesem Sinne ist der Film auch dokumentarisch. Ich wollte den Alltag im Krankenhaus dokumentieren. Und dann habe ich dieses Duo, das sich manchmal prügelt, manchmal befreundet ist, inszeniert – das ist das Leben der Kranken. Die ehemaligen Kranken werden zu Figuren des Krankenhauses, seiner Poesie. Ich denke, ohne das wäre der Film schwer anzusehen. Ich habe versucht, auch die Schneiderei und die Töpferei in Szene zu setzen. Ich habe sogar Tischlerei- und Schmiedewerkzeug gefunden. Ich erinnere mich, wie wir als Kinder an den Wochenenden ins Krankenhaus gingen und den Kranken Dinge abkauften, Tische oder Stühle, Kunsthandwerk. Sie stellten viele Dinge her, die sie verkauften, und so konnten sie ein wenig Geld verdienen. Geld ist im Sinne von Tosquelles und in der Psychiatrie ein sehr wichtiger Begriff im Heilungsprozess. Denn wenn man Geld verdient, wenn man arbeitet, dann bedeutet das, dass man eigentlich geheilt ist. Und das gibt es nicht mehr. Seit es Medikamente gibt – überall auf der Welt – verlässt man sich sehr darauf. Man gibt die Medikamente und sperrt sie ein. Es ist viel komplizierter, wenn die Kranken arbeiten. Wenn sie tatsächlich arbeiten würden, das wäre die wahre Heilung. Und vor allem haben sie Wunder vollbracht. Ich habe einen Wohnzimmertisch, den die Patient*innen selbst gemacht haben. Da es sich in der Regel um Paranoiker handelt, leisten sie sehr gute Arbeit. Eine Anmerkung: Ich bin auch so. Ich bin sicherlich auch infiziert...

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