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Ich will Sie nicht mit einem detaillierten Bericht über die letzten zwei Jahre langweilen. Ich arbeite zwölf Stunden am Tag, um meine Filme zu finanzieren, und in meiner Freizeit lese ich in der Bibliothek oder sehe mir alte Filme an. Nichts Spektakuläres also. Ich war fünf Monate in Wien, um mein Deutsch zu verbessern. Dort habe ich einen Ort entdeckt, an dem ich am liebsten die ganzen letzten zwei Jahre verbracht hätte: Wenn man vom Stadtpark aus die Ungargasse hinuntergeht, kommt man an diesem verrauchten Café vorbei, in dem es eine einzige Sorte Bier in zwei Ausführungen und eine griesgrämige Inhaberin gibt, die ganz in Schwarz gekleidet ist, hübsche graue Gummihandschuhe trägt und einen bedient, wenn man so weit ist. Ach ja – sie hat eine großartige Musiksammlung, hauptsächlich Avantgarde-Jazz und Klassik. Sie spielt die Platten von Anfang bis Ende und ein bisschen zu laut, als dass man sich noch normal unterhalten könnte. Wenn es zu voll wird, fängt sie an, Leute wegzuschicken. Jedem sein Naturhistorisches Museum, Filmmuseum, meinetwegen auch Globenmuseum, jedem sein Kaffeehaus und sein Überstürzter Neumann, aber wenn ich nach Wien komme, dann nur, um ins Malipop zu gehen. Aber halten Sie dort bitte nicht nach mir Ausschau. Sie hätte etwas dagegen, wenn wir uns unterhalten, während sie The Necks spielt, Max Richters „Sleep Remixes“ oder „Le sacre du printemps“ in der Aufnahme von Teodor Currentzis, dem Kurt Cobain der griechischen Dirigentenwelt – ich will nicht riskieren, dass ich Hausverbot bekomme.

Ted Fendt zeigte 2016 Short Stay im Forum. 2018 ist er mit Classical Period zu Gast.

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