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Dies ist ein Film über Jugendliche. Eryang und seine Freunde, die in der „Republic“ verkehren, leben ihr Leben ohne Rücksicht auf Verluste und kennen keine Zukunftsängste. Sie strotzen vor jugendtypischem Idealismus. Wie Eryang es sieht, ist er rein zufällig in China geboren. So betrachtet wurde auch dieser Film nur zufällig in China gedreht, denn Jugend und Erwachsenwerden sind etwas, das jeder, ganz gleich welcher Nationalität, aus eigener Erfahrung kennt oder selbst erleben wird.

Allerdings hat Eryangs Jugend auch Aspekte, die sie einzigartig machen. Sein Glaube an den Kommunismus bei gleichzeitig hippieartigem Lifestyle entspringt ebenso individuellen Entscheidungen wie den allgemein zu beobachtenden Begleiterscheinungen eines neuen Lebensstandards: Da junge Menschen mittlerweile infolge des rasanten Wirtschaftswachstums in China eine bessere Ausbildung erfahren und ökonomisch besser abgesichert sind, verfestigt sich auch die Illusion einer starken Nation. Urbanisierung und Industrialisierung reißen die Menschen in den Strudel extremen Konsumdenkens, und der öffentliche Diskurs ist von ausländerfeindlichem Nationalismus geprägt, eins wie das andere Geißeln der Menschheit.

Filme zu drehen, ist für mich ein Weg, mir meine Menschlichkeit zu erhalten

Der Lebensentwurf von Li Eryang und seiner „Republic“ ist wahrscheinlich nur eine Phase für ihn. Ein solcher Idealismus wird unweigerlich an der Realität zerbrechen. Natürlich wünscht man der „Republic“ nicht, dass sie irgendwann wieder verschwindet, aber ihre Tage sind jetzt schon gezählt. Wer seine Jugend derart hedonistisch auslebt, tanzt wie eine Motte um die Flamme, und der sprühende Funkenflug vor dem Ausbrennen ist es wert, dokumentiert zu werden, damit mehr Menschen einen Lebensstil, der für sie ein unerreichbarer Traum bleibt, sehen und nachfühlen können.

Ich verstehe, dass man von Filmen aus China erwartet, dass sie ideologisch gegen die Regierung sind. Diese Erwartung ist in unserem Fall fast unvermeidlich, da wir uns in einem Milieu befinden, das sich von den einheitlichen Werten unterscheidet, die von der chinesischen Regierung festgelegt und verwaltet werden. Das ist offensichtlich und unausweichlich. Das war für mich jedoch nicht der Beweggrund, Regisseur zu werden. Mir geht es darum, mit der Kamera Lebensstile zu dokumentieren, über diese Lebensstile Zugang zu den Innenwelten von Menschen zu finden, und diese inneren Welten auf die Leinwand zu bringen, damit die Zuschauer*innen ebenso mühelos und uneingeschränkt wie ich in das Innenleben der Personen auf der Leinwand eintauchen kann.

Ich denke, dies ist der kostbarste Aspekt beim Filmemachen und auch der interessanteste am Dokumentarfilm.

Nachdem ich meinen ersten Langfilm gedreht hatte, fragte mich jemand, welches Ziel ich beim Drehen von Dokumentarfilmen verfolge. Damals antwortete ich: „Im Grunde verfolge ich gar kein Ziel. Filme zu drehen, ist für mich ein Weg, mir meine Menschlichkeit zu erhalten.“

Doch im Lauf der Jahre hat sich immer mehr das Gefühl eingestellt, auf ein Ziel hinzuarbeiten, als läge noch einiges vor mir, das dringend auf mich wartet. Was ich früher als glücklichen Zufall betrachtete, verstehe ich heute als Berufung.

Jin Jiang

Übersetzung: Clara Drechsler, Harald Hellmann

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